: Radio Kakadu im Klein-Kleinkrieg
■ Duisburger Radioamateure setzen tägliche Sendezeit durch / WAZ-Kommerzfunker wollen Musikfarbe vorschreiben
Miese Produktionsbedingungen in einem improvisierten „Studio“ auf einem Duisburger Hinterhof, eine ablehndende Haltung der vom Medienkonzern WAZ ('Westdeutsche Allgemeine Zeitung‘) finanzierten sechsköpfigen Redaktion, mühsames Einfordern gesetzlicher Rechte auf dem Beschwerdeweg Jürgen Mickley, seit drei Jahren engagiert in der Vorbereitung des Duisburger BürgerInnenradios hatte sich den Sendestart von Radio Duisburg am 1.April anders vorgestellt. Was vielen Duisburgern vielleicht wie ein müder Aprilscherz vorkam, ist für die BürgerInnen-Radioamateure von Radio Kakadu mittlerweile zum täglichen „Klein-Kleinkrieg“ ausgeartet. „Hier ist nichts organisiert, wir erfahren einen Tag vorher, wann ein Beitrag ausgestrahlt wird, wir wissen nicht, ob wir eine Sendung auf einer Casette oder auf einem Tonband abliefern sollen, der Chefredakteur bemüht sich nicht um die Koordination der Beiträge, die außer von uns noch von anderen Radioinitiativen geliefert werden.“ Jürgen Mickley ist auf den ehemaligen Verantwortlichen des inzwischen verstummten Hamburger Senders „Korah“, Pieper, nicht gut zu sprechen.
„Vor Sendebeginn war er einmal bei Kakadu, da hatten wir zunächst den Eindruck, er meint es ehrlich mit dem Bürgerradio.“ Diese Hoffnung haben die Kakadu-Funker nicht mehr. „Heute beschimpft er uns als aggressiv und unkooperativ“, erzählt Mickley, „und redet nicht mehr mit uns.“ Dabei produziert Kakadu circa 85 Prozent der Beiträge für das Bürgerradio Duisburg, die nicht-kommerzielle Nische, die das NRW-Mediengesetz „kulturellen Gruppen“ einräumt. Bis zu zwei Stunden tägliche Sendezeit sieht der Gesetzgeber für diese Radiobeiträge vor, die programmverantwortliche Duisburger Veranstaltergemeinschaft, mehrheitlich von der SPD kontrolliert, räumte den Radiogruppen zunächst täglich 108 Minuten ein.
Das war dem Chefredakteur zuviel, „mangels Beiträgen“ reduzierte er die Sendezeit kurzerhand eigenmächtig auf eine Stunde wöchentlich. Kakadu griff sofort zum Mittel der Beschwerde bei der Landesanstalt für Rundfunk (LfR), der für den Privatfunk in NRW zuständigen Aufsichtsbehörde. Der Sprecher der SPD in diesem Gremium, Hellwig, reagierte prompt, im Gegensatz zu seinen Genossen in Duisburg, die sich auch zwei Wochen nach der Beschwerde noch nicht gemeldet hatten.
Mit Hilfe der LfR setzte sich Kakadu durch, seit einigen Tagen können wieder BürgerInnen täglich Radio machen.
Daß die direkt verantwortliche Duisburger Veranstaltergemeinschaft passiv blieb, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Realität des nordrhein -westfälischen „Säulen-Modells“, mit dem die NRW-SPD lauthals den reinen Kommerzfunk der Zeitungsverleger, allen voran dem WAZ-Konzern, verhindern wollte. Die Veranstaltergemeinschaften sollten die programmverantwortliche Säule, das „publizistische Korrektiv“ sein. Noch bei der Einweihung des Duisburger Senders sprach Ministerpräsident Johannes Rau höchstpersönlich vom „besonders innovatorischen Charakter“ des BürgerInnenradios.
Angesichts der Haltung der Duisburger Programmverantwortlichen befürchtet Jürgen Mickley von Radio Kakadu Schlimmeres: Schon gibt es Überlegungen bei den WAZ -Kommerzfunkern, den Radioamateuren die Musikfarbe vorzuschreiben, damit alles aus einem Werbeguß läuft. Schwer vorstellbar, wie sich dies mit den Programmvorstellungen der Radiogruppen von Kakadu vereinbaren ließe. Denn ob die Jazz -Enthusiasten von „RIO“ (Radioinitiative Obermeiderich) oder die Akkordeon-Gruppen sich der Programmphilosophie der WAZ -Betriebswirte (Fachjargon: „Middle of the road“) unterordnen, ist eine ganz andere Frage.
Ebenso vielfältig wie die Musikinteressen der Radiogruppen sind die thematischen Vorlieben: Dies geht von den Sendungen des Alten-Clubs „Horizonte 50“ zum Thema Zwischen Arbeit und Ruhestand oder demnächst Sex mit 60 - es fehlen die Männer über Esperanto bis zum Frauen-Nacht-Taxi. Die Studenten-Radiogruppe „Campus“ berichtet über die Einsamkeit des Studenten ebenso wie über Computer-Linguistik oder den Fall „Singer“ - die Euthanasie-Diskussion an der Duisburger Hochschule.
Trotz der schweren Bedingungen für Kakadu schöpfen die Pioniere des nichtkommerziellen Amateurradios in Duisburg aus der Anerkennung viel Kraft, die sie für ihre ersten Beiträge schon bekamen. Täglich von 9.04 bis 9.20 Uhr, 14.15 bis 14.56 Uhr und von 19.04 bis 20.00 Uhr ist das BürgerInnenradio zu hören, außer in Duisburg auch in Oberhausen sowie in einigen Stadtteilen des Essener Westens. Kontakt: Radio Kakadu, Tel. 0203/ 25824.
Ludger Fittkau
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