: Gar keine Tomaten
■ Bremer Fehrfeld-Filmstudios auf DDR-Fahrt
„Mit Volldampf in die 90er - Ihr habt es nicht anders gewollt“ - das war das Motto der Bremer Fehrfeld-Studios, die vor kurzem auf Tournee in der DDR waren. Nachdem im letzten Jahr die Aufführung verboten wurde, mochte sich dieses Mal niemand mehr in den Weg stellen. Vier Bremer zeigten also elf Filme an zwölf Tagen in acht Städten der DDR. Ein Lage-und Erfahrungsbericht vom Fehrfeld-Studiosi Ali Eichelbach.
Bislang unterschied sich die Kino-Szene der Noch-DDR in einigen wesentlichen Punkten von der hiesigen. Die Kinos eines jeden Bezirks unterstanden der dortigen Bezirksfilmdirektion (BFD), die die Kinos mit den Filmen des einzigen Verleihbetriebs der DDR, „Progress“, beschickten. Mit Eintrittspreisen um 1,55 Mark war sich der subventionierte Kulturbetrieb vor unerwünschter privater Konkurrenz sicher.
Dazu gab es (und gibt es bislang noch) die örtlichen Filmclubs. Finanziert von den Bezirksfilmdirektionen bot sich dort die Möglichkeit, mit dem DDR-eigenen Improvisationstalent die offiziellen Vorschriften zu umgehen und dort auch andere Filme zu zeigen als die offiziell genehmigten. Eine beliebte Methode war z.B., die jeweiligen Filmveranstaltungen als Gastspiel der ungarischen oder polnischen Kulturmission stattfinden zu lassen.
Organisiert wurde unsere Tour von dem Rostocker UNI-Film-und Jazzclubleiter Olaf Jelinski und seinem Greifswalder
Kollegen Walter Sänger, die dazu die guten Kontakte des
sozialistischen Filmclubwesens nutzten. Wir versorgten die Spielstätten mit eigens dafür angefertigten Programmen (die uns freundlicherweise die Stadt Bremen finanziert hat) und jeweils 20 Plakaten, was zum Teil großes Erstaunen seitens der Filmclubbetreiber erzeugte. Wilde
Wildes Plakatieren ist noch völlig unüblich, erst die Wahl im März war der erste Anlaß, das noch bestehende Verbot zu übertreten.
Besonders lobend zu erwähnen ist hier auch die freundliche und fürsorgliche Aufnahme durch die Filmklubvertreter. Durchweg stießen die Filmförderungen auf reges Interesse seitens des Publikums. Nicht einmal ist es vorgekommen, daß die Leinwand mit Tomaten beworfen wurde. Gerne genutzt wurde auch die Möglichkeit, mit uns, den Filmemachern, diskutieren zu können.
Viele der ostdeutschen Filmfreunde blicken besorgt in die Zukunft, da ihre voll subventionierte Kulturarbeit in der Marktwirtschaft wohl baden gehen wird. Dazu kommt, daß fast täglich ein westdeutscher Investor vor der Tür steht und das Kino kaufen will. Oder der Leiter der BFD-Halle, der seit vielen Jahren im Amt ist, läßt sich beschwatzen, für 50% der Einnahmen (bei Preisen ab 8 Mark), dem Volk so schöne Filme wie „Drei Lederhosen in St.Tropez“ oder „Angelique-Teil III“ vorzusetzen. Ali Eichelbac
siehe auch nebenstehendes Interview
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