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Mit Quoten zur Chancengleichheit?

■ Wissenschaftssenatorin Riedmüller antwortet in einem persönlichen Brief auf einen Beitrag des Politikwissenschaftlers Peter Grottian in der taz / Quoten sind notwendig, um Chancengleichheit zwischen West- und Ost-Abiturienten herzustellen

Eine Replik

Am 24. April wurde in der taz ein Beitrag des FU -Politikwissenschaftlers Peter Grottian veröffentlicht, in dem dieser die Pläne der Wissenschaftssenatorin, den Hochschulzugang für Abiturienten mit West-Abitur und für solche aus dem Osten über getrennte Quoten zu regeln, scharf kritisierte. Grottian bezweifelte, daß es tatsächlich zu einem Ansturm von Studenten aus der DDR auf die FU kommen werde und warf der Senatorin vor, die zugrundeliegenden Zahlen beruhten nur auf einem „Daumenpeilverfahren“. Er bezeichnete das Vorhaben als falsches Signal zum falschen Zeitpunkt. Er formulierte den Verdacht, daß damit durch die Hintertür ein flächendeckender Numerus clausus eingeführt werde soll und plädierte dafür, daß die Fachbereiche ein Zehntel ihres Lehrangebots als Überlastprogramm in Ost -Berlin anbieten müßten, um dem möglichen Zustrom zu begegnen. Wir veröffentlichen heute die Antwort von Barbara Riedmüller, die auch an die taz geschickt wurde.

(...) Deine Argumentation erscheint mir allerdings symptomatisch für die Denkweise einer Reihe von Kollegen gerade an der FU, die sich dem Problem der Belastung der Berliner Hochschulen im kommenden Semester auf eine gefährlich oberflächliche Weise nähern.

Zunächst: Die Quotenregelung, die nun eingeführt wird, stellt lediglich die Chancengleichheit zwischen Bewerbern mit DDR-Abitur und solchen mit einer Hochschulzugangsberechtigung aus der Bundesrepublik und Berlin (West) wieder her. Das ist als Regelung nicht restriktiv und sagt auch nichts aus über die möglicherweise von einem NC betroffenen Fächer oder gar die einzelnen Zulassungsfächer. Eine einfach nachzuvollziehende Betrachtung der Zulassungszahlen zu den NC-Fächern im Sommersemester zeigt, daß die Chancen der DDR-Bewerber doppelt so hoch waren wie die anderer.

Dies kann man auf zwei Arten korrigieren: entweder man schließt die Hochschulen für DDR-Bürger, wie es etwa die konservativ regierten Bundesländer getan haben, oder man stellt durch die Quotierung sicher, daß die Studienplätze gleich verteilt werden. Es handelt sich also keineswegs um ein vorgeschobenes Instrument zur Etablierung eines „flächendeckenden NC“, sondern um eine unumgängliche Maßnahme im Sinne des Gleichbehandlungsgebots.

Was nun die Einschätzung der Zahl der Studienanfänger aus der DDR zum Wintersemester anbelangt, muß ich Dir den Vorwurf des „Daumenpeilverfahrens“ zurückgeben. Die Zahlen des Sommersemesters - soviel solltest Du wissen - sind stets atypisch niedrig; die „Nachfrage bei KollegInnen“ oder Deine „Diskussionen mit StudentInnen aus Ost-Berlin“ scheinen mir als empirisches Material nicht unbedingt geeignet.

Ich beziehe mich dagegen nicht nur auf die prognostischen Daten, die sich aus der Zahl der Anfragen ergeben und die in der Tat nicht zutreffen müssen, sondern halte mich an kalkulierbare Informationen.

Zu denen zählt zum Beispiel die Zahl der Hochschulzugangsberechtigten der DDR, die im Wintersemester mit dem Studium beginnen könnten. Geht man nur von einer gleichbleibenden Studierneigung aus und rechnet man selbst die 5.000 Studienplätze ab, die in der DDR zusätzlich zur Verfügung gestellt wurden, bleibt noch immer ein fünfstelliger Überhang. Stellt man die besondere geographische Lage Berlins in Rechnung und berücksichtigt, daß mittlerweile die konservativ regierten Bundesländer „dichtgemacht“ haben, braucht man wenig Phantasie, um sich den Andrang auf die Berliner Hochschulen auszumalen.

Das sind Herausforderungen, auf die der Senat von Berlin gezielt reagiert hat, indem Mittel für die Verbesserung der Infrastruktur an den Ostberliner Hochschulen ebenso zur Verfügung gestellt werden wie Mittel für ein Austauschprogramm von West- und Ostberliner Dozenten mit Schwerpunkt in der Lehre. Insgesamt 5,6 Millionen DM werden wir zum Beispiel für Doktorandenprogramme für junge Wissenschaftler aus Berlin (Ost), wissenschaftliche Veranstaltungen und die Verbesserung von Infrastruktur und Ausstattung aufwenden.

Damit werden verläßliche und überschaubare Rahmenbedingungen für die Studiensituation in Ost und West geschaffen. Es ist die Verläßlichkeit, die im jetzigen Moment gebraucht wird, wo bei vielen DDR-Bürgern, gerade im Bildungsbereich, große Verunsicherung herrscht. Eine „kreative Unübersichtlichkeit“, wie sie Dir vielleicht vorschweben mag, kann ja für kurze Zeit durchaus anregend sein - der Katzenjammer nach der ersten Euphorie ist aber absehbar, wenn die Seminare eben nicht nur im Wintersemester überfüllt sind.

Da greift auch Deine Hoffung auf ein gesteigertes Lehrangebot der Fachbereiche zu kurz. Zum einen halte ich es für zweifelhaft, sogar bevormundend, wenn Du pauschal vorschreiben willst, daß den Ostberliner Hochschulen ein Lehrangebot der Westberliner Uni verordnet werden soll, pauschal und ohne Schwerpunktsetzung. Zum anderen setzt Du damit auf eine Bereitschaft Deiner Kollegen, in der Lehre an DDR-Hochschulen tätig zu werden, die allein auf persönlichem Engagement von nicht absehbarer Dauer beruht. Ein solides Studienangebot braucht aber einen langen Atem, und für den benötigt man klare Rahmenbedingungen.

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