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Statt mit der FDJ nun bald mit einer GmbH reisen

■ Neue Marketingstrategie im ehemals FDJ-gesteuerten Jugendtourismus bei Treffen in Ost-Berlin beraten / Ohne Subventionen nun weniger Reiseziele / Kaum erschwingliche Westreiseländer neu im Programm / Westliche Veranstalter harte Konkurrenten / Jugendliche DDR-Reisende im eigenen Land „Bürger fünfter Klasse“

Ost-Berlin. „Der Jugendtourismus ist tot - es lebe der Jugendtourismus“ - so bringt der neuernannte Marketingdirektor Werner Krumbein die derzeitige Situation des DDR-Reiseveranstalters VEB Jugendtourismus (JT) auf den Punkt. Mitarbeiter der 200 JT-Filialen waren am Wochenende ins ehemalige FDJ-Haus Unter den Linden geladen, um über die Zukunft ihres Betriebes zu beraten.

Jugendtourismus, das hieß vor der Wende: Jugendaustauschprogramme mit den sozialistischen Bruderländern, hochsubventionierte Reisen in die „NSW -Länder“ (nichtsozialistische Wirtschaftsgebiete) und Gratisreisen als Dank für besondere Verdienste ums Vaterland. Aus dem FDJ-Reisebüro wurde im Januar ein VEB, im Juli soll dieser in eine GmbH umgewandelt werden - und erstmals gewinnbringend arbeiten.

„Auf zu neuen Ufern“ lautet dann auch die Parole, mit der JT um „junge und junggebliebene“ Kundschaft wirbt. Das Titelblatt des Sommerkataloges ziert ein frisbeespielender Jüngling am Meeresstrand irgendwo in Italien, Griechenland oder Spanien. Aber neuer Name, dynamisches Logo und flotte Parolen können nicht über die Probleme hinwegtäuschen, mit denen sich JT konfrontiert sieht.

Die Streichung von Subventionen hatte zur Folge, daß die Anzahl der angebotenen Reiseziele um die Hälfte, auf 32, reduziert wurde. „Überseereisen könnte sich sowieso kein normal Sterblicher in der DDR leisten“, erklärt eine Mitarbeiterin, lediglich Kuba sei noch im Programm. Reisen ins sozialistische Bruderland UdSSR sind in diesem Sommer so teuer, daß sie auf der Beliebtheitsskala der Reiseländer ganz unten rangieren. Renner sind die Billigreiseländer, eine deutsch-deutsche Grillparty am italienischen Teutonengrill sei zu erwarten.

Und hier zeichnet sich eine weitere Gefahr für den Fortbestand des VEB JT ab: Die versierten Reiseveranstalter aus dem Westen hocken in den Startlöchern, um Kapital aus der neuen Reisefreiheit der DDR-BürgerInnen zu schlagen, für die die meisten neuen Reiseziele ebenso Neuland sind wie für den JT. Neckermann, TUI, Hansa-Tourist und andere haben bereits durchs Hintertürchen Einlaß auf den DDR-Markt gefunden: Sie bezahlen JT eine Provision für jeden an sie vermittelten Kunden. Und Neckermann hat einen eigens auf die schmalen Portemonnaies der DDR-BürgerInnen zugeschnittenen Reisekatalog erstellt.

Um die Kunden an JT zu binden, hat sich die Direktion zu einem riskanten Angebot entschlossen, das von Marketingmann Krumbein als „Marktabschöpfungsstrategie“ bezeichnet wird: Gereist wird sofort, bezahlt wird später, spätestens vier Wochen nach Urlaubsende. Damit hofft man, die Verunsicherung während der in die Zeit der Sommerferien fallenden Währungsunion möglichst gering zu halten.

Auch im eigenen Land steht JT vor einem Berg von Aufgaben, aber wenigstens erhofft man sich bei der touristischen Erschließung des Reiselandes DDR einen klaren Heimvorteil gegenüber der westlichen Konkurrenz. Daß der Ansturm auf die Mark Brandenburg, die Mecklenburgischen Seen und andere Attraktivitäten der DDR jetzt schon Probleme mit sich bringt, beklagt eine junge Mitarbeiterin der JT -Bezirksdirektion Halle. DDR-Reisende würden im eigenen Land als „Bürger fünfter Klasse“ behandelt und könnten selbst die Unterbringung in einer Jugendherberge oft nicht mehr bezahlen. So sei der Preis für eine Übernachtung mit Frühstück in der JH Wernigerode im Harz von 50 Pfennigen auf 23 Mark angestiegen und eine Übernachtung im idyllisch gelegenen - und bis auf weiteres von Westlern ausgebuchten Dresdener Jugendhotel Schloß Eckberg kostet mittlerweile 70 Mark.

bw

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