: Der Widerspenstigen Zähmung
Graf siegte in Hamburg gegen die sich wild zur Wehr setzende Sanchez / Veranstalter grinst: finanzieller Volltreffer ■ Aus Hamburg Jan Feddersen
Verbissen kämpften beide Akteurinnen unter sengender Sonne um vorhandene oder lockende Pfründen. Die eine, Arantxa Sanchez-Vicario aus Spanien, gilt spätestens seit ihrem letztjährigen French-Open-Sieg über Stefanie Graf als ernsthafte Konkurrentin um den Tennisköniginnenthron. Die andere, Peter Grafs Stefanie, hatte beim Hamburger Frauentennisturnier mehr zu verlieren als nur die dritte Titelverteidigung des mit 350.000 Dollar dotierten Tennis -Grand-Prix - ihren Nimbus nämlich, selbst in bedrohlichen Situationen noch gewinnen zu können. Beide ackerten sich wuchtig und zäh die Bälle zu.
Im ersten Satz dominierte Sanchez klar, überraschte die Brühlerin mit Netzangriffen und gewohnt aggressiven Passierschlägen. 7:5 endete der erste Durchgang, die 9.000 Zuschauer hatten zu Recht den Eindruck, einer hochklassigen Partie beiwohnen zu dürfen. Indes: Die beiden folgenden Sätze gewann Graf. Doch das Ergebnis - 6:0 und 6:1 täuscht. Jeder Ballwechsel war umkämpft, die junge Frau aus Barcelona gab die gelbe Filzkugel nie auf. Letztlich obsiegte die größere Routine, das größere Stehvermögen und das variablere Schlagrepertoire der Deutschen.
70.000 Dollar durfte Graf entgegennehmen - Sonderapplaus bekam sie deswegen vom ostfriesischen Spaßmacher Otto Waalkes, der seit einigen Jahren zum Graf-Clan gehört. 28.000 Dollar immerhin nahm die kleine Spanierin mit heim. Und von Resignation war bei ihr keine Spur: Wie Stefanie Graf wolle sie nächstes Jahr wiederkommen. „Und dann will ich gewinnen“, beteuerte sie mit entschlossenem Lächeln.
Die Veranstalter freuten sich über die Versprechen sehr. Endlich, so Heinz Brenner, Turnierchef am Hamburger Rothenbaum, habe das Frauenturnier „den Durchbruch geschafft“. Knapp 60.000 Zuschauer besuchten die Spiele während der sieben Turniertage - 30 Prozent mehr als 1989. Es hat sich ausgezahlt, daß für die Weltranglisten-Erste ernsthafte Konkurrenz verpflichtet werden konnte. Auch Martina Navratilova, umjubelter Star in Hamburg, will wiederkommen. Ihr habe das Hotel „Vier Jahreszeiten“ so gut gefallen, war zu hören.
Als Heinz Brenner diese Nachricht mitgeteilt bekam, soll ein feuchter Schimmer in seinen Augen gesichtet worden sein. Seine Pläne (und die der Tennispromoter-Organisation IMG, die die Lizenzen für die Hamburger Turniere innehat), an der Alster eine Art germanischen Grand Slam zu veranstalten, scheinen in Erfüllung zu gehen. Im kommenden Jahr, deutete Brenner an, soll das Preisgeld auf 500.000 Dollar erhöht werden - so hoch wie die Honorare bei den Internationalen Meisterschaften in West-Berlin. Und dann, so Brenner, könnten Spielerinnen wie der argentinische Kleiderschrank Gabriela Sabatini, die jugoslawische Aschenwühlerin Monica Seles und der Wunderteenie Jennifer Capriati engagiert werden. Doch dies bleibt vorläufig Zukunftsmusik, zumal die Westberliner inzwischen auch eine Preisgelderhöhung bei der WITA beantragen wollen.
Seit gestern beherrschen wieder die Männer das Turniergeschehen am Hamburger Rothenbaum. Eine Million Dollar sind ausgelobt - mehr bieten nur die Grand Slams. Die Besetzung ist vorzüglich, auch wenn die Schweden Mats Wilander und Stefan Edberg sowie der CSSR-Emigrant Ivan Lendl fehlen. Neben Boris Becker sind Andre Agassi, Aaron Krickstein und Michael Chang die prominentesten Spieler. Die Luschen Patrick Kühnen, Eric Jelen und Michael Stich haben (Good)-Wildcards erhalten - sie hätten anderenfalls sonst eine sportlich ungewisse Qualifikationsrunde bestehen müssen.
Streit um den autonomen Vip-Bereich gab es im übrigen bislang nicht. „Laß die in ihren Zelten schmurgeln“, bemerkte ein Zuschauer gehässig. Tatsächlich verirrten sich nur selten die besseren Kreise in ihren Separees mit Scampi und Champagner: Durch die Sonne herrschten in den Zelten bisweilen tropische Verhältnisse. Doch diese Woche könnten die Verhältnisse wieder zurechtgerückt werden: Das Wetteramt hat Regenschirmwetter versprochen.
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