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Hassemer an neuem Ort

■ Ex-Westberliner Kultursenator entdeckt „gemeinsame kulturelle Aufgaben“

Der frühere Westberliner Kultursenator Volker Hassemer (CDU) wird persönlicher Berater des neuen DDR-Kulturministers Herbert Schirmer. Er wird nicht zum Stab des Ministeriums gehören, aber intensive Gespräche mit Angehörigen der Verwaltung ebenso wie mit Künstlern führen. Hassemer findet, es sei jetzt wichtig, daß die DDR „ihre eigene Kulturpolitik in einem demokratischen Staat entwickelt.“

Der 46jährige gelernte Strafrechtler und in Sachen Kultur „gutaussehende Dilettant“, wie ihn Burgtheaterdirketor Claus Peymann einmal nannte, war von 1981 bis 1983 Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz und von 1983 bis 1989 führte er das Kulturressort im christlich-liberalen Senat von West-Berlin. Der CDU-Linksflügler war einerseits verantwortlich für die Großspektakel zur Westberliner 750 -Jahr-Feier 1987 und dafür, daß West-Berlin im nächsten Jahr auch gleich noch „Kulturhauptstadt Europas“ werden mußte, was ihm heftige Schelte von links einbrachte, weil hier vor allem mit großartigen Namen geprotzt worden und zu wenig für die sozio-kulturelle Infrastruktur getan worden sei. Die klassischen Konservativen wiederum sahen es gar nicht gern, daß Hassemer ausgerechnet z.B. Beton-Künstler wie Wolf Vostell auf dem Kurfürstendamm Anti-Autoskulpturen bauen ließ. Und während die Linken Hassemer das in den letzten Jahren gerade von konservativer Seite entwickelte Konzept von Kultur als Wirtschaftsfaktor und Sinnstifterin in der Zweidrittelgesellschaft vorwarfen, schaffte er es andererseits, daß bei seinem Abgang nach den Abgeordnetenhauswahlen vor einem Jahr so ziemlich die ganze Westberliner Kulturszene vom jungen wilden Maler bis zum alten alternativen Off-Thea traliker öffentlich um ihn weinte und immer noch weint. Schließlich hatte er sie nämlich alle ancharmiert und geschickt wegintegriert: Soviel Geld für Kultur hatte es noch nie zuvor gegeben und irgendwie hatte auch fast jeder Staatskneten-Alternative ein paar Krümel davon abbekommen, was viele vergessen machte, daß der Jungdynamiker eben doch auch die ganze Zeit in der Partei Helmut Kohls war.

In den letzten Monaten war der Younger Statesman fast auf jedem Diskussionspodium anzutreffen. Bei einer Veranstaltung zur deutsch-deutschen Kultur im Februar in West-Berlin äußerte sich der Anti-Christdemokrat, in dessen Kopf die Begriffe „Kultur“ und „Nation“ sich nicht unbedingt spontan wiedervereinigten in Sachen „gemeinsamer kultureller Aufgaben“. Dabei entdeckte er nicht nur die Notwendigkeit der Langsamkeit und Gründlichkeit, die die Kultur („Wer sonst?!“) endlich pflegen müsse, als Gegenmaßnahme gegen die angsterregende Schnelligkeit, die alle anderen Bereiche der Gesellschaft mitrisse. Außerdem müsse man Räume, Methoden, Orte und Menschen finden, um die Differenzen zwischen den beiden Kulturen „zu erspüren“, um hernach den Osten auf „die Möglichkeiten des Dezentralen, des Vielfältigen, des Föderalen“ aufmerksam zu machen, und um vor allem die Dörfer mit Visionen und Modellen auszurüsten, damit diese sich vor der drohenden Gefahr von Aldi für die Dorfstruktur schützen können. Im übrigen, so sagte er, damals Ende Februar, verstehe er gar nicht warum sich Kulturpolitiker nicht auch auf dieser Ebene der Kultur einmischten. Schließlich sei Kultur nicht nur Kunst, sondern eben die Gesamtheit der Wertvorstellungen, Meinungsbestände und Umgangsformen einer Gesellschaft.

Gabriele Riedle

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