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OST: GESINDEL, WEST: PACK

Zigeuner in der einen Stadt  ■ K L E I N E R G R E N Z V E R K E H R 4

Im Bahnhof Lichtenberg schlafen rumänische Zigeuner. Sie haben ihre Decken in die Ecken gelegt. Viele Frauen und Männer hausen auf einer Decke. Kinder liegen kreuz und quer über ihre Körper verteilt. Ein Mann stemmt sich hoch auf die Ellbogen, hält eine Schnapsflasche in der Hand. Gesindel, sagt ein vorübergehender Deutscher, lichtscheues Gesindel. Der Blick des Zigeuners wird hart.

Zigeunermädchen stehen auf dem Winterfeldtmarkt. In den Händen halten sie kleine Pappkarten, halten sie den Vorübergehenden vor den Bauch: Liebe Froinde, ich bin aus Ruminien, habe kein Broth, geben si mir bitte Geld... Die Samstagseinkäufer gehen an ihnen vorüber, lachen über ihre Köpfe hinweg, faules Pack, zischt einer auf sie herunter, schert euch weg, wenn ihr arbeiten würdet wie wir.

Ein Berliner Jungpaar kauft an einem Stand Gemüse. Der Mann nimmt einen Apfel aus der Kiste, riecht daran, legt ihn wieder zurück. So eine Unverschämtheit, schreit der Verkäufer, antasten, anriechen und wieder zurücklegen, mit den Mikroben dran. Mein Vater hat so jemandem früher mit der Kelle über die Finger gehauen. Der junge Mann schüttelt den Kopf und lacht. Er zahlt und hakt seine Freundin unter. Zigeuner, brüllt der Verkäufer ihn nach.

Eine Gruppe ungarischer Zigeuner steigt in die U-Bahn. Sie spielen auf alten Gitarren und Geigen auf. Der älteste von ihnen geht vorbei an den Sitzreihen, hält den Geigenrücken zum Geldablegen hin. Die Sitzenden sehen tiefer in die Zeitungen und Bücher. Ein junger Mann wirft ihm einen Groschen zu. Der Groschen rollt über den Boden. Der alte Mann läuft ihm hinterher. Er hebt das Geld auf und bedankt sich. Er übergibt es dem Vorgeiger der Gruppe, der keine Pupille im linken Auge hat.

Michaela Ott

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