: MODELLE DEUTSCHEN WESENS
■ Architekturmodelle von Wolfgang Göschel und Joachim von Rosenberg in der Ostberliner Stadtbibliothek
Wenn Wolfgang Göschel und Joachim von Rosenberg auf Wettbewerben ihre Architekturmodelle präsentieren, hört bei den Kampfrichtern der Spaß auf. Zumeist fliegen die Entwürfe schon im „Ersten Rundgang“ raus. Ein Interesse an ihnen besteht nicht. Auf den anschließenden Ausstellungen werden sie, der Schändlichkeit wegen, mit Tüchern verhüllt, als handle es sich um sittenwidrige Heftchen. Wird ein Entwurf gezeigt - wie beim Wettbewerb zum „Deutschen Historischen Museum“ (1988) - kommentiert ein rotes Schild „Nicht zugelassen!“ die Beleidigung der Juroren und die Niederträchtigkeit von Göschel und von Rosenberg.
Dabei stehen Göschels und von Rosenbergs Modelle weder in scharfer Konkurrenz zu Architektenkollegen - sie sind (mit einer Ausnahme) nicht einmal auf die Ewigkeit angelegt noch wären ihre Ideen besonders teuer. Im Gegenteil. Kosten und mögliche Realisierung halten sich die Waage. Die Materialien sind oft aus Holz, Pappe, Plastik und Wohlstandsmüll, und das Bauwerk, wenn es überhaupt eines ist, wirkt nicht monumental, sondern ist kleinteilig oder transparent geplant.
Was Göschel und von Rosenberg so gefährlich zu machen scheint, daß man ihre Arbeiten in die Verbannung treibt, ist die provokante Art, mit der sie das Wettbewerbsverfahren ad absurdum führen und der Aufgabenstellung gewissermaßen ans Bein pinkeln. So liefern die Architekten schon gar nicht Entwürfe für betonierte Visionen im strengen Modul baulicher Vorgaben und Anweisungen, sondern freche „Assemblagen der verschiedenen historischen und künstlerischen Aussagen, die für den jeweiligen Platz (...) gemacht worden sind“, wie MichaelS.Cullen, der Ausstellungsorganisator der Schau der Wettbewerbsmodelle aus den Jahren 1983 bis 1989 bei den Architekten in der Ostberliner Stadtbibliothek, im Katalog anmerkt. Regelgerechtes Planen ersetzen Göschel und von Rosenberg mit dem lustvollen Spiel sprunghafter Assoziation über das Gelände. Ihre Basteleien legen vergangene Spuren des jeweiligen Ortes frei, als sei er ein gealtertes urbanes Wesen. Der Verdrängung von Original durch ein postmodernes Zitat begegnen sie mit den Mitteln der Karikatur, die das Abbild wieder zur Kenntlichkeit verwandelt.
Infantiler Stadtplanung beispielsweise, wie Helmut Kohls Standortbestimmung für das Deutsche Historische Museum am Spreebogen, antworteten beide Architekten im Museumswettbewerb mit einer ebenso ausgesucht infantilen Gestaltung ihres Modells, um Kohls sensibles Geschichtverständnis für diesen Ort und die dienernde Würdigung der Auslober inklusive ihrer postmodernen Beschwörungsformeln der Lächerlichkeit preiszugeben: Der großen Geste des Kanzlers und seinem Willen nach Opulenz ließen die beiden Planer prompt ein großes Arrangement aus Monumentalität und Übergröße folgen, das die megalomanen germanischen Träume an diesem Platz in den Mittelpunkt rückte. Über dem Halbkreis des Spreebogens wölben sich riesige Rundbögen, die an die Kuppel von Speers „Halle des Volkes“ erinnern. Unter dem angedeuteten Dach versammeln Göschel und von Rosenberg die Kohlsche Vorstellung nationaler Größe, nämlich provinzielles Treibgut deutscher Geschichte in Form von Gartenzwergen, Schäferhunden und Volkswagen, Seppelhüten, Gewehrpatronen und Gemüsesuppenkräuter. Mitten in biederlichem Hausrat und wirtschaftswunderlichem Schutt stellen sie das „Haus Vaterland“, ein 1911 am Potsdamer Platz erbautes Vergnügungscenter, das die Berliner wegen seiner touristischen Attraktion für die Besucher aus dem Umland hämisch das „Haus für Provinzonkels“ tauften, und das 1976 abgerissen wurde. „Nomen est omen“ denkt es sich und spielt Deutsches Historisches Museum. Um Kohls comichaftem Geschichtsbild ganz gerecht zu werden, wacht anstelle von Victoria nun Mickymaus auf der Siegessäule über Berlin.
Schon für den Wettbewerb „Platz der Republik“ (1986) hatten sich Göschel und von Rosenberg ein witziges Modell aus potemkinschen Dörfern und ihrer kulissenhaften Inszenierung ausgedacht, um die Geschichte des Ortes, vom kaiserlichen Exerzierplatzes bis zur geplanten Reichtagsverpackung durch Christo, in einer Revue vorbeiziehen zu lassen. Zwischen die Fassaden der Geschichte und den Mummenschanz aus Sein und Schein schiebt sich als Schwerpunkt die Zeit des Faschismus, wo die kulissenhafte Gestaltung des architektonischen Raumes Teil der dauernden Inszenierung von Öffentlichkeit bedeutete.
Inmitten der Patchwork-Modelle aus Plastikhirschen, Welthölzern und Odol-Mundwasser steht eine Ausnahme, die das genaue Gegenteil von dem darstellt, was Göschel und von Rosenberg sonst treiben. Ihr Entwurf für die „Gedenkstätte Bahnhof Grunewald“ - auch im „Ersten Rundgang“ aus dem Rennen geflogen - arbeitet nur mit kalter Information. Fotos jüdischen Lebens in Berlin, die Namen und Anschriften der Deportierten und die Symbole der Diffamierung sind die einzigen Zeugen, die für die Mahn- und Gedenkstätte eingesetzt werden sollten. Dem falschen Pathos inszenierter Trauer und spekulativer Theatralik stellen die beiden Architekten die Erinnerung an jeden Einzelnen gegenüber, dessen „Daten“ als Hülle zurückblieben.
Die Ausstellung „Haus Vaterland“ ist ein kleiner Beitrag zum Thema Abriß von Geschichten und Aufbau von Geschichte. Werden doch gerade jetzt wieder neue vaterländische Kulissen gezimmert.
rola
Die Ausstellung „Haus Vaterland“ ist noch bis zum 30. Mai in der Berliner Stadtbibliothek, Breite Straße 34, Berlin Mitte, zu sehen, Montag 14 bis 19 Uhr, Dienstag bis Freitag 11 bis 19 Uhr, Samstag 9 bis 16 Uhr. Der Eintritt ist frei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen