: „Husch, husch, ab in den Busch“
Schwarze Kicker werden in der Bundesliga besonders diskriminiert und diffamiert ■ Von Holger Gertz
Hamburg (taz) - Die Szene wiederholte sich, wann immer der Hamburger SV zum Spitzenspiel im Münchner Olympiastadion antreten mußte: sobald William Hartwig, Mittelfeldmann des HSV, in den Besitz des Balles gelang, röhrte ihm die bayerische Westkurve entgegen: „Jimmy, du Negerschwein.“ Die Rufe untermalten nahezu jede Aktion des dunkelhäutigen Spielers und verstummten selbst dann nicht, als sich Hartwig, der elenden Gesänge überdrüssig, in die Kurve begab, um die „Fans“ zu dirigieren.
Das ist lange her. Hartwig kickt längst nicht mehr in der Bundesliga, der HSV womöglich bald auch nicht mehr - allein die Fanatiker in den Arenen traktieren nach wie vor die ausländischen Spieler mit rassistischem Gegröhle.
„Besonders schlimm war es in den engen Stadien wie in Dortmund oder Gladbach“, erinnert sich Rigobert Gruber, ehedem Abwehrspieler bei Werder Bremen, der genau wie Hartwig wegen seiner dunklen Hautfarbe immer wieder zur Reizfigur auf dem Rasen geriet. Schwarze Spieler werden in jedem Stadion von einem Teil der Zuschauer als „Bimbo“ oder „Nigger“ diffamiert oder von ganzen Fanblöcken mit affenartigen Grunzlauten bedacht. Hin und wieder fliegt auch eine Banane auf den Platz oder ein Balltreter wird dorthin geschickt, wo so mancher mit einem eindimensionalen Weltbild ausgestattete Fan offenbar dessen Herkunft vermutet: „Husch, husch, in den Busch.“
Rigobert Gruber gesteht ein, daß ihn solche Sprüche ärgern, doch hält er Diskussionen mit den Stadionbesuchern für sinnlos: „Was soll ich mit jemandem über Rassendiskriminierung reden, der doch sowieso keine Ahnung hat.“
Wie Gruber sieht auch Christian Hinzpeter, Präsidiumsmitglied beim FC St. Pauli, in den Beschimpfungen „keine gezielten Feldzüge faschistoider Aktivisten“, sondern dümmliche Äußerungen, „mit denen man sich gut profilieren kann“. Doch hält es Hinzpeter für bezeichnend, daß wieder einmal jene Ausländergruppen als Idioten herhalten müssen, die auch in der nicht fußballernden Gesellschaft am schlimmsten diskriminiert werden: die Türken und die Dunkelhäutigen.
Dabei ist es für denjenigen, auf den die Widerwärtigkeiten gemünzt sind, völlig gleichgültig, ob diese politisch motiviert sind oder spontan aus tumben Gemütern hervorquellen: Seelische Blessuren verursachen sie in jedem Fall. So erinnert sich Mohammed Amiq, vor Jahren in Bremerhaven das Zweitliga-Leder kickend, nur ungern an jene Zeiten, „als mich die Leute Negersklave nannten, nachdem ich einen Fehlpaß gespielt hatte“.
Rassistische Bemerkungen der Kicker untereinander bringen auch Ex-Profi Stefan Lottermann, heute im Vorstand der „Vereinigung der Vertragsspieler“ (VdV), auf die Palme: „Das kriegt man unheimlich schwer in den Griff, weil alles, was zum Thema Fairneß unter Kollegen gesagt wird, im Wettkampf viel zu schnell verhallt. Viele Spieler halten es ja auch für legitim, absichtlich foul zu spielen.“
Der vom ehemaligen HSV-Mittelfeldcrack Felix Magath gemanagte 1. FC Saarbrücken hat in den vergangenen Jahren regelmäßig schwarze Spieler unter Vertrag genommen, gegenwärtig ist mit Antony Yeboah ein Mann aus Ghana im Kader. Bisher habe es in Saarbrücken keine Probleme mit dunkelhäutigen Spielern gegeben, was der Manager der „Internationalität“ der grenznahen Stadt zuschreibt. Ohnehin sieht Magath nicht in der Hautfarbe eines Spielers den einzigen Auslöser für Diskriminierungen. „Wenn die Leistung schlecht ist, wird immer ein ins Auge stechendes Merkmal als Kritikpunkt herangezogen. „Zu mir“, erinnert sich Magath, „haben sie auch immer gesagt: nu‘ lauf doch mal, du fettes Schwein.“
Besonders die regionale Presse weist, wenn es mit der Leistung bergab geht, gern auf spezifische Eigenschaften der Ausländer hin - oft unverhohlen rassistisch. Je tiefer die marode Mannschaft von Alemannia Aachen in den Zweitliga -Keller sank, desto heftiger mokierte sich die Aachener Presse über das „lässig-südländische“ Auftreten des türkischen Coaches Denizli - bis der Mann den Krempel hinwarf.
Gemeinhin hebt sich der FC St. Pauli vom übrigen Bundesligageschehen ab, so auch diesmal. Nachdem selbst am Millerntor der brüllende Mob über Souleymane Sane vom 1. FC Nürnberg hergefallen war, verteilten die entsetzten Redakteure des linksgerichteten Fanzines 'Millerntor Roar‘ vor dem Heimspiel gegen Düsseldorf ein Flugblatt'in dem sie sich gegen jede Form von Rassismus im Stadion aussprachen und das von allen Spielern des FC St. Pauli unterzeichnet war. „Unser Kampf auf dem Rasen braucht keine menschenverachtenden Hetzparolen!“
Die Resonnanz: Düsseldorfs schwarzer Verteidiger Baffoe soll im gesamten Spiel nicht ein einziges Mal beschimpft worden sein - wahrlich ein seltenes Gefühl für einen schwarzen Kicker in der deutschen Bundesliga.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen