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„Selige gesamtdeutsche Kondomgegner“

■ Interview mit Albert Eckert, „Antichrist“ und Mitglied des Abgeordnetenhauses, zum Aktionsbündnis gegen den Kirchentag

Das Aktionsbündnis gegen den vom 23. bis 27. Mai in West -Berlin stattfindenden Katholikentag mit dem langen Namen „Es rettet uns kein höh'res Wesen“ (Internationale) stellte jetzt seine Zeitung vor. Titel: 'Unglaublich‘. Das in einer Auflage von 20.000 erscheinende antiklerikale Organ („überkirchlich, austrittswillig, lustvoll“) richtet sich gegen die katholische Lebensschützerei, gegen die sexualfeindliche Moral und die finanzielle und personelle Verfilzung von Staat und Kirche. Im Serviceteil erfahren austrittswillige KatholikInnen alles über die Modalitäten des Abfalls von Glauben und Steuersäckel. Schließlich versteht sich das Bündnis, dessen Spektrum vom Freidenkerverband über die Alternative Jugendorganisation bis zur Paragraph-218-Koordination reicht, auch als InteressenvertreterIn der 26 Prozent WestberlinerInnen, die konfessionslos sind. In 'Unglaublich‘ werden außerdem die Veranstaltungen des Aktionsbündnisses angekündigt, deren Höhepunkt ein großer heiliger Umzug auf dem Ku'damm sein soll. Er wird mit dem Jüngsten Gericht am Runden Tisch enden. Finanziert wird 'Unglaublich‘ durch Gelder der Asten, des Netzwerks und der AL-Fraktion. Die taz sprach mit Albert Eckert, MdA, Mitglied der Humanistischen Union und Antichrist bei „Es rettet uns...“.

taz: Eigentlich sollte die Zeitung doch 'Austreten‘ heißen. Das war konsequenter, denn letztlich hilft doch nur der Austritt oder nicht?

Eckert: Wenn man sich die Personalpolitik der katholischen Kirche auch in Einrichtungen, die überwiegend staatsfinanziert sind, ansieht, wie sie da mit Lesben und Schwulen umspringt, wie sie mit unverheiratet Zusammenlebenden oder mit denen, die als Ledige Kinder haben, dann hilft tatsächlich nur Austreten. Einfach nur den Kirchgang boykottieren, bringt nichts. Dann sieht zwar der Pfarrer, daß man nicht mehr kommt, aber die Steuern sackt die Kirche ja trotzdem ein. Am Geldbeutel trifft's die Kirche erfahrungsgemäß am empfindlichsten.

Trotz katholischer KritikerInnen wie Uta Ranke-Heinemann oder des Psychologen und Priesters Drewermann passiert doch nichts, die Institution ist nicht reformierbar.

Deshalb sag ich doch: austreten. Die katholische Kirche macht ja zwar nicht nur schlechte Sachen, aber die vielen schlechten, die sie macht, machen es schwer, die guten noch irgendwie zu würdigen.

Was sind die politischen Zielpunkte des Bündnisses gegen den Katholikentag?

Das ist ein breites Bündnis, und deshalb läßt sich erst mal nur festhalten, daß alle Organisationen darauf aufmerksam machen wollen, daß diese katholische Kirche in der Bundesrepublik und andernorts einiges an reaktionärer Politik auf dem Kerbholz hat. Zweitens wendet sich das Bündnis dagegen, daß der Senat nicht nur den politischen Dialog des Evangelischen Kirchentages fördert, sondern mit über 20 Millionen auch dieses riesige liturgische Zeremoniell des Katholikentages, der sich einer politischen Diskussion weitgehend entzieht und statt dessen überwiegend das Sakristei-Christentum praktiziert.

Hauptpunkte sind aber Sexualmoral und Staatsfinanzierung...

Die Sexualmoral ist ein besonderes Ärgernis, zu merken, wie im jetzigen Prozeß des Zusammenwachsens der beiden deutschen Staaten die Kondomgegener und Abtreibungsgegner versuchen, ihre Seligkeit auf Gesamtdeutschland zu erweitern. Besonders, was die ungewollten Schwangerschaften und das Leben ungewollter Kinder angeht, von dem Zynismus in Sachen Aids ganz zu schweigen.

Das Vaterland kommt wieder, der ganze Ostblock liegt zur Missionierung offen da. Wa sind eure Befürchtungen?

Eigentlich bietet das Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten eine einmalige Chance, verfassungsrechtlich eine klare Trennung von Kirche und Staat herzustellen. Man sollte auch bei Vereinigung nach Artikel 23 endlich die Teile der Weimarer Reichsverfassung rausschmeißen und in einer gemeinsamen neuen Verfassung klar trennen. Ansonsten sehe ich nur, daß die westliche Kirche sich per staatlichem Steuereinzug und personeller Verfilzung in den Osten ausdehnt und sich einfach überstülpt. In einigen ungläubigen Gegenden gibt es noch eine Menge zu missionieren. In der DDR warnen Christen jedenfalls schon davor, daß die Kirche nur wenig sorgsam mit ihrem Machtzuwachs umgehen könnte.

Interview: kotte

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