: Boykottaufruf für Aids-Konferenz
Über 50 Aids-Organisationen werden der 6. Internationalen Aids-Konferenz im Juni in San Francisco fernbleiben / Kritik an der Einreisepolitik der Bush-Administration für HIV-Träger ■ Aus Washington Rolf Paasch
„Mauern werden uns nicht vor Aids schützen“, so liest sich die fettgedruckte Überschrift einer ganzseitigen Anzeige der Aids-Organisation „Gay Men's Health Crisis“ in der 'New York Times‘. Mit der Anzeige ruft jetzt auch die größte und älteste Aids-Organisation in den USA zum Boykott des im Juni in San Francisco stattfindenden 6. Internationalen Aids -Kongresses auf.
Schwulengruppen aus über 50 Organisationen haben bisher ihren Boykott angekündigt, der sich gegen die Politik der Bush-Administration richtet, die an Aids erkrankten Personen die Einreise in die USA verweigert. Zusammen mit dem Iran, dem Irak und Südafrika gehören die USA zu den wenigen Ländern, die HIV-Träger an der Grenze abweisen; und dies, obwohl sämtliche Gesundheitsbehörden des Landes zugeben, daß dies auch aus medizinischen Gründen völlig unsinnig ist.
Noch im April hatte Präsident George Bush versucht, den drohenden Boykott der international bedeutsamen Konferenz durch ein 10 Tage gültiges Sondervisum für HIV-Träger abzuwenden. Doch dieser faule Kompromiß war den Organisationen nicht genug. Die temporäre Regelung, erklärten Sprecher der Aids-Gruppen, würde ja nur zu einem Akt der Selbstbezichtigung an der Grenze führen. Einstimmig fordern die amerikanischen Aids-Gruppen eine grundsätzliche Änderung des Gesetzes. 1978 war auf Betreiben des rechtsgerichteten Senators Jesse Helms die Passage über die Aufnahme der HIV-Infektion in die Liste der zu deklarierenden Krankheiten hinzugefügt worden. Ein dem Kongreß vorliegender Gesetzentwurf dazu könnte allein mit Unterstützung des Weißen Hauses noch vor dem 24. Juni verabschiedet werden.
Bisher haben sich in San Francisco erst 6.000 Teilnehmer angemeldet, in Montreal waren es 1989 mehr als doppelt soviele. Ein Sprecher der „National Gay and Lesbian Task Force“ versprach indes „Konfrontationen“ auf den Treppen des Konferenzgebäudes. Der bekannte Aids-Aktivist und führende Exponent der Gruppe „Act Up“, Larry Kramer, forderte in einem in Schwulenzeitungen verbreiteten Kommentar gar einen militanten „Aufstand“. Andere, wie Martin Delaney vom „Projekt Inform“ in San Francisco, regten friedlichere Aktionen des zivilen Widerstands bei den Einwanderungskontrollen in New York und San Francisco an. Delaney kritisierte darüber hinaus Präsident Bush für sein geplantes Nichterscheinen auf der Konferenz, die traditionell vom Staatschef des Gastgeberlandes eröffnet wird. „Wenn George Bush ins von den Drogenkartellen beherrschte Medellin fahren kann, warum kann er dann nicht nach San Francisco kommen?“ fragte Delaney.
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