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Gerangel um die Kosten der Einheit

Die Hansestadt Bremen sieht ihre alten Forderungen beim Länderfinanzausgleich durch die deutsche Vereinigung gefährdet / Ein Bundesland vor der Pleite / BRD-Bundesländer wollen einen Fonds bilden - eine Art „Marshall-Plan“ für zukünftigen DDR-Länder  ■  Aus Bremen H.Bruns-Kösters

Wenn heute in Bonn die Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzler Helmut Kohl zusammentreffen, werden zwei Fragen die Diskussion bestimmen: Wie hoch sind die Kosten der deutschen Einheit, und wer hat wieviel dafür zu zahlen?

Für Bremens Bürgermeister Klaus Wedemeier (SPD) ist die Position dabei klar. Wenn Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) seine Vorstellungen durchsetzt, dann ist das kleinste bundesdeutsche Land endgültig pleite. Waigel will die Kosten schlicht dritteln: Die Kosten für die Einheit sollen zu gleichen Teilen aus den Haushalten von Bund, Ländern und der DDR bezahlt werden.

Das Modell des Bundesfinanzministers sieht vor, den Schlüssel, nach dem die Umsatzsteuer verteilt wird, zu ändern. Statt wie bisher 35 sollen die Länder künftig nur 20 Prozent erhalten. Für den Bremer Landeshaushalt würde das für 1991 eine Mindereinnahme von 260 Millionen D-Mark bedeuten. Bei einem Haushaltsvolumen von 5,6 Milliarden D -Mark muß Bremen bereits eine Milliarde jährlich an Krediten aufnehmen. Der Schuldenstand ist inzwischen auf mehr als 14 Milliarden D-Mark angewachsen. Das bedeutet, daß die Zinslast die Neuverschuldung fast völlig auffrißt. Jedes kommerzielle Unternehmen müßte in einer solchen Situation Konkurs anmelden.

Die Haushaltsnotlage der Bremer ist dabei nach übereinstimmender Meinung aller Bürgerschaftsfraktionen in Bremen im wesentlichen auf die besondere Situation eines Stadtstaates und nicht auf allzu verschwenderisches Finanzgebaren zurückzuführen. Ein Grund: In Bremen arbeiten rund 60.000 Niedersachsen. Die Lohnsteuer, die in Bremen erarbeitet wird, geht voll an die Gemeinden, in denen die Pendler wohnen. Auf diese Weise gehen Bremen alleine 350 Millionen D-Mark verloren.

Auf der anderen Seite muß die Stadt als „Oberzentrum“ Infrastruktur, wie beispielsweise die Universität für das Umland bereitstellen und hat enorme Kosten für die Unterhaltung der Häfen, die für die ganze Bundesrepublik von Bedeutung sind.

Daß der 1969 von der großen Koalition ausgehandelte Verteilungsschlüssel für die Länderfinanzen nicht mehr den Notwendigkeiten entspricht, ist spätestens seit Mitte der siebziger Jahre bekannt. 1986 bestätigte dann das Bundesverfassungsgericht in einem ersten Urteil, daß die Stadtstaaten „historisch gewachsene Bestandteile deutscher Staatlichkeit“ sind, „Wunschkinder der Verfassung“, wie Finanzsenator Claus Grobecker nicht müde wird zu betonen.

Nach diesem Urteil sahen sich der Bund und die von der CDU regierten Länder nach langer Kungelei zwar gezwungen, etwas mehr nach Bremen und ins Saarland zu überweisen, doch eben nicht genug, um den Haushaltsnotstand zu beenden. Folge war eine zweite Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, die Ende des Jahres entscheidungsreif sein wird. Um eine erneute Schlappe vor Gericht zu verhindern, waren Bund und Länder nun Ende des letzten Jahres fast bereit, Bremen mit einer halben Milliarde, dem Saarland mit 400 Millionen und Hamburg mit 100 Millionen D-Mark unter die Arme zu greifen.

Doch der Fall der Mauer und die darauf einsetzende galoppierende Diskussion über die Einheit und deren Kosten überlagert seitdem die finanzpolitische Diskussion, die Bremens Finanzsenator Grobecker bisweilen die Zornröte ins Gesicht treibt. So zum Beispiel als Baden-Würtembergs Finanzsenator Guntram Palm den Vorschlag unterbreitete, die künftigen DDR-Bundesländer in den Finanzausgleich aufzunehmen. Dann wären Bremen und das Saarland auf einmal Geberländer gewesen und hätten jede Hoffnung auf mehr Geld fahrenlassen können. Dieser Vorschlag ist inzwischen vom Tisch.

Die Finanzminister sind sich einig, daß zunächst in der DDR vergleichbare Lebensverhältnisse herrschen müssen, ehe der Länderfinanzausgleich für ganz Deutschland gelten soll. Daß es aber kein gutes Bild macht, wenn sich Bremen bei der „Anschubfinanzierung“ für die DDR ganz entzieht, ist auch dem Bremer Senat klar. Nur wollen die Bremer, daß die Kosten über einen längeren Zeitraum gestreckt werden.

Inzwischen sind sich die Finanzminister der Länder in dieser Position weitgehend einig. Es soll ein Fonds gegründet werden, der mit Krediten finanziert wird. Und diese Kredite würden dann über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren abfinanziert werden. Ein solcher „Marshall-Plan“ für die DDR, wie Bremens Finanzminisiter Grobecker das Modell nennt, hätte für das kleinste Bundesland zwei Vorteile: Zum einen würde die Spitzenbelastung bei höchstens 80 Millionen D-Mark liegen, und zweitens würde dieser Höchstbetrag erst 1995 fällig.

Und bis dahin, da sind die Bremer sicher, wird die Finanzierung des kleinsten Bundeslandes längst auf solidere Füße stellt sein.

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