: Die AL bleibt autonom
■ Die Mitgliedervollversammlung der Alternativen war nur schwach besucht - und entschied sich per „Meinungsbild“ gegen einen Beitritt zu den Bundesgrünen
Kreuzberg. Es kam, wie es zu erwarten war: Auf ihrer Mitgliedervollversammlung (MVV) am Freitag abend konnte die AL wegen zu geringer Präsenz der Mitglieder keinen Beschluß zu einem Beitritt zu den Bundesgrünen fassen. Nach Abschluß einer insgesamt eher müden zweistündigen Debatte, bei der rund 300 Mitglieder anwesend waren, konnte lediglich ein Meinungsbild erstellt werden: die Mehrzahl der Anwesenden sprach sich dafür aus, nicht Mitglied des Bundesverbandes der Grünen zu werden. Wegen der zu erwartenden Teilnahme der Berliner an den nächsten Bundestagswahlen müßte die AL den Bundesgrünen beitreten, um über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen. Doch die Partei setzt jetzt darauf, daß möglicherweise gar keine gesonderten westdeutschen Bundestagswahlen mehr stattfinden, sondern die nächsten Wahlen gesamtdeutsche sein werden. In einer zum Schluß angenommenen Resolution spricht sich die AL dafür aus, bei gesamtdeutschen Wahlen kein Mitglied der Bundesgrünen zu werden, sondern als eigenständige linke Gruppierung am Prozeß der Neuorganisation der Linksalternativen in Ost und West beteiligt zu werden. Sollte es doch zu einem frühen Wahltermin kommen, möchte die AL, daß die Fünf-Prozent-Klausel wegfällt.
Zu Beginn der MVV plädierte die Ex-Fraktionsvorsitzende Bischoff-Pflanz dafür, die Koalitionsfrage mit auf die Tagesordnung zu setzen. Sie fand dafür keine Mehrheit. Obwohl der Unmut über die Koalition wächst und bereits Anträge vorliegen, die SPD bis zu Neuwahlen in einem Minderheitssenat zu tolerieren, wird dieses Thema erst auf der nächsten MVV Mitte Juni verhandelt. Bis dahin sollen auch die Gespräche mit der SPD über Nachbesserungen der Koalitionsvereinbarungen stattgefunden haben. Die AL will nächste Woche dazu ihre Forderungen in der Öffentlichkeit vorstellen.
Indirekt angesprochen wurde die Koalitionsfrage auch auf dieser MVV: Nachdem am gleichen Tag bekanntgeworden war, daß die DDR faktisch einen Einreisestopp für Rumänen verhängt hatte, wurde Innensenator Pätzold von verschiedenen Rednern scharf kritisiert. Pätzold hatte in Briefen an die beiden deutschen Innenminister darum gebeten, sofort Maßnahmen zu ergreifen, um die neue Flüchtlingsbewegung zu stoppen. Dies wurde als weiterer Grund angesehen, aus der Koalition mit der SPD auszusteigen. Ein Mißtrauensantrag gegen Pätzold fand jedoch keine Mehrheit. Die Versammlung beschloß lediglich eine Resolution, in der der Einreisestopp verurteilt und der SPD vorgeworfen wird, mit ihrem Verhalten bewußt einen Bruch der rot-grünen Koalition zu wollen.
kd
Wir beginnen morgen im Berlinteil mit der ersten Folge einer Debatte um die Zukunft von Rot-Grün mit Beiträgen von AL- und SPD-Politikern.
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