: Mit Ina Deter unter uns
■ Ex-Aushängeschild taucht aus Mainstream auf / Rosen für gute Arbeit
Es fällt auf, wie wenig sie auffällt, zur Zeit. Da hat sie eine neue Platte herausgebracht, und man hört sie nicht im Radio; sie gibt ein Konzert in Bremen, und es wird nicht, wie sonst fast alle, per Funk gejingelt. Ina Deter, mehr als ein Jahrzehnt lang populärmusikalisches Aushängeschild der bundesdeutschen Frauenbewegung, will sie niemand mehr hören?
Nicht doch. Bis zum letzten Stehplatz gefüllt war der Schlachthof am Sonntagabend, und das Konzert, das die vielen Frauen und wenigen Männer dort erlebten, war, die Maßstäbe deutscher Popmusik gerechnet, von derart hervorragender Qualität, daß sich die Frage aufdrängt, warum Mann sie in den Popredaktionen offensichtlich zur persona non grata erklärt hat.
Dabei hat sie sich mit ihrer neuesten, sehr persönlichen LP deutlich von früheren feministischen Projekten abgesetzt und übrigens auch von Haus- und Hofproduzent Edo Zanki. „Soll mich lieben, wer will“ ist in den USA entstanden. Eine Platte, die sich angenehm von deutschrockigen Einheitselaboraten absetzt, dafür aber im amerikanischen Mainstream untergeht.
Wie anders das Konzert! Band kompetent, MischerInnen professionell: trotz aller Hardrock-Ambitionen ein glasklarer, angenehmer Sound, in dem jedes Wort verständlich blieb. Sängerin einsatzfreudig und, nach drei Zugaben, ob der Begeisterung sichtlich gerührt. Da flogen schon nach wenigen Minuten Dutzende Rosen auf die Bühne, geworfen von einer jahretreuen „Fanin“ (De
ter); kleingewachsene Frauen fühlten sich von größeren plötzlich sanft nach vorne in die erste Reihe gedrängt, „damit du besser siehst“.
In der Band standen neben Ina Deter drei Frauen, an Gitarre, Baß und Trommeln . Daß neben neuen Männern, die die Chefin noch immer fürs Land fordert, neue Frauen an bisher männerdominierten Instrumenten auf der Bühne überzeugen können, das hat die Zuhörerinnen zusätzlich begeistert.
Aber auch im Schlachthof wurde natürlich klar, warum die gesanglich im übrigen rundweg überzeugende - Ina Deter als umstritten gilt. Gut und schön sind die alten, meist die Männerwelt fixierenden Songs, die neuen, persönlichen auch. Aber geradezu peinlich und überholt
wirken ihre politischen Statements, in denen sie penetrant bewegungsfrohere Zeiten heraufbeschwört und musikalische Antiquitäten wiederbelebt, an denen derzeit selbst Bob Dylan und Joan Baez öffentlich scheitern: Ihr Sendungsbewußtsein wirkt unzeitgemäß.
Letztlich litt ihr hervorragender Gesamteindruck auch unter dem abgestandenen Animationsritus, Menschen aus den vorderen Reihen neue Reime auf ihr „Neue Männer braucht das Land“ finden zu lassen. Den zweitblödesten hatte sie sich selber reserviert: „Lafontaine ins Kanzleramt“. Den Vogel schoß der Mann in der zweiten Reihe ab. Ins hingehaltene Mikro gab er die Parole: „Viel mehr Kinder braucht das Land“. Voila.
Rainer Köste
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