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Die Revolution verteilt ihre Posten

■ Eine Koalition aus SPD/CDU und Neuem Forum übernimmt den Frankfurter Magistrat gegen die stärkste Fraktion PDS / Blumen für den scheidenden SED-Oberbürgermeister und überreichlich Posten für das Neue Forum

Die Stimmen sind ausgezählt, 22 für den PDS-Kandidaten, 47 für den SPD-Mann Dr. Wolfgang Denda. Der steht auf, knöpft sich das graue Jackett zu, greift zum Aktenkoffer und geht unter spärlichem Beifall zum Rednerpult vor der braunen Holzwand des Ratssaales. „Mein oberstes Ziel besteht darin, Ihr Vertrauen nicht zu enttäuschen.“ Sagt es, richtet den Blick auf seinen Vorgänger Krause, hinten in der Zuschauerbank. Denda dankt dem Neu-Rentner, der „am Runden Tisch als einer der Wenigen die Wende begriffen und danach gehandelt hat und trotz der 25jährigen Amtszeit immer Mensch geblieben ist“. Ein Nelkenstrauß und Handschlag für Krause. Danach verliest Denda den abzusegnenden „Beschluß über Grundsätze der vorläufigen Arbeitsweise der Stadtverordnetenversammlung“ - die „Revolution“ in Frankfurt (und anderswo) wird mit acht Dezernaten und dreizehn Ausschüssen fortgesetzt.

Der Kampf um das Rathaus war eigentlich erst nach den Kommunalwahlen erst richtig entbrannt. Mit der stärksten der Parteien in der traditionellen Militär- und Beamtenstadt, der PDS (27,2%) wollte keiner. Schon vor der Wahl hatten SPD, CDU und Neues Forum miteinander geturtelt. Sie führten dann auch die Koalitionsverhandlungen. Die drehten sich nicht um Sach- sondern nur um Personalfragen, wie übereinstimmend berichtet wird.

Noch in der letzten Koalitionsrunde setzten CDU und Neues Forum dem OB-Aspiranten Denda die Pistole auf die Brust: entweder er werfe alle leitenden PDS-Leute raus, oder er werde nicht gewählt. Ein Teilnehmer der Runde: „Da gab es vor allem auch vom Neuen Forum Leute, die verlangten, bis zur Putzfrau alle 255 Beschäftigten auszuwechseln. Der Denda ist ihnen viel zu liberal.“ Ähnliches verlautete auch aus der CDU. Doch die Ex-Blockflöten, die traurigen Herzens und „wegen der Optik“ einen ihrer alten Mitstreiter, den „Stadtrat für Handel und Verschiebung“ entließen, gaben sich insgesamt moderater als das NF. Die Gründe pfeifen die Spatzen vom Dach des gotischen Backsteinbaues: während die verwaltungsunerfahrenen PolitikerInnen vom Neuen Forum in nahezu jeder Amtsstube angstvoll finstere Mafiosi vermuten, kamen die Konservativen schon immer ganz gut mit der Bürokratie klar.

Denda, dessen Ingenieursschreibtisch bis zum Wochenende im „Hochsicherheitstrakt“ des Instituts für Halbleiterphysik stand, gab nur punktuell nach. Er beharrte darauf, daß „zumindest jedem ins Gesicht gesehen und mit ihm geredet wird“, wie sich jemand erinnert. Denn die Devise des neuen OB lautet: „Wir wollen zwar den Geist der SED aus dem Rathaus vertreiben, aber wir wollen auch mit jedem, der uns helfen will, zusammenarbeiten.“ Darauf ist der Mann bitter angewiesen.

Die 140 organisierten Frankfurter Sozialdemokraten leiden nämlich wie keine andere Partei unter Mangel an qualifiziertem Personal. Weil auf der „Kaderstrecke nichts als Null zu vermelden ist“, so ein SPDler, mußte sich die nach der PDS zweitstärkste Fraktion (26,6%) mit einem von sieben Dezernenten neben dem OB begnügen.

Die weiteren sechs Posten verteilen sich je zur Hälfte auf das Neue Forum (9,48%) und CDU (22,5%). Die Konservativen scheinen ähnliche Kompetenzprobleme zu plagen wie die Sozialdemokraten: Ihr Wirtschaftsressort bleibt noch unbesetzt, der westdeutsche Kandidat aus Freiburg muß erst anreisen. Für das Dezernat „Internationale Beziehungen“ nur böswillige Menschen hegen den Verdacht der Postenschieberei, Gutwilligen leuchtet ein, daß die 86.000 Einwohner zählende Grenzstadt „auf die Problematik an der Ostgrenze Deutschlands hinweisen muß“ (Denda) - ist noch kein CDU-Kandidat in Sicht. Der Mann für das eminent wichtige Finanzressort hingegen ist gefunden. Erfahrungen wie Edmund Rost (50) hat kein anderer: 23 Jahre Hauptbuchhalter im Großhandel und CDU-Mitglied, 14 Jahre Kommunalparlamentarier in der Stadt, der das Springer-Blatt 'Die Welt‘ bereits im Dezember vergangenen Jahres nachsagte, sie sei eine „Stadt ohne Gedächtnis“.

Nicht ganz. Nach dreistündigem Vollzug der Wahlakte in der konstituierenden Stadtverordnetenversammlung hält OB Denda das Schlußwort. Er will den „Grundzügen der Politik der Koalition nicht vorgreifen“, verliest aber dennoch eine „Erklärung der Koalitionsparteien vom 19.5.1990“. Sie beginnt mit dem Satz: „Die gewaltfreie Revolution ist noch nicht beendet.“ Alles weitere folgt in der nächsten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 14.Juni 1990 um 13.00 Uhr. So lautet der Beschluß zu den Grundsätzen der Arbeitsweise der Stadtverordnetenversammlung - „bis zur Inkraftsetzung einer Hauptsatzung der Stadt Frankfurt (Oder)“.

Petra Bornhöft

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