: „Dynamo geht nicht unter“
■ In einem spannenden Finish holt sich Dynamo Dresden die Fußballmeisterschaft der DDR
Dresden (dpa/taz)) - „Bundesliga, wir kommen!“ Immer wieder war dieser Spruch während der rauschenden Feier des alten und neuen DDR-Fußballmeisters Dynamo Dresden in der Nacht zum Sonntag zu hören. Vor der Rekordzahl von 32.867 zahlenden Zuschauern im Rudolf-Harbig-Stadion schlossen die Dynamos die 40. und wahrscheinlich vorletzte Oberligasaison mit ihrem achten Titel seit 1953 ab. Der letzte Gegner Lok Leipzig hielt nach seinem 1:0 durch Torsten Kracht in der 21. Minute nur bis zur Halbzeit gleichwertig mit. Dann sorgten der Neu-Leverkusener Ulf Kirsten (53.), Torsten Gütschow (82.), mit 18 Treffern Oberliga-Torschützenkönig, und Nachwuchsmann Sven Radtke (90.) für den Dresdner Triumph.
Der FC-Karl-Marx-Stadt, der seine Chance durch ein 1:0 gegen Magdeburg wahrte und den Titel bei einem Unentschieden oder einer Niederlage der Dresdner gewonnen hätte, mußte sich aufgrund des schlechteren Torverhältnisses mit dem zweiten Platz zufriedengeben. Zur Belohnung dürfen die Karl -Marx-Städter ebenso wie der 1. FC Magdeburg im nächsten UEFA-Cup mitspielen. Einen klaren Rückschritt erlebte Aufsteiger Fortschritt Bischofswerda, der ebenso absteigen muß wie das Team von Wismut Aue, das den Zuschauern in seinem fast fertig renovierten Stadionschmuckstück künftig nur Zweitklassiges bieten kann.
In den Meisterschaftsjubel der Dresdner mischte sich Abschiedsschmerz. Mit Matthias Sammer (VfB Stuttgart), Ulf Kirsten (Bayer Leverkusen), Hans-Uwe Pilz, Andreas Trautmann und Matthias Döschner (alle Fortuna Köln) verliert der Meister die halbe Mannschaft. Alle anderen wollen bleiben und harte D-Mark in Zukunft in Dresden verdienen. Der 27 Jahre alte Stürmer Gütschow hat einen Zweijahresvertrag abgeschlossen. Er sprach für den Rest: „Dynamo geht nicht unter.“
Trainer Reinhard Häfner (38), der das Amt nach 19 von 26 Spieltagen von DDR-Auswahltrainer Eduard Geyer (45) übernahm, kommentierte die Lage so: „Wir haben die beste Mannschaft der DDR. Unsere Zukunft spielt sich in der Bundesliga ab.“ Der 58fache Auswahlspieler, der einen Fünfjahresvertrag mit Dynamo besitzt, bedauerte für alle Fans, „daß wir nicht schon zur nächsten Saison gegen Bayern München, 1. FC Köln oder Hamburger SV antreten können“.
Bis dahin bleibt für die SG Dynamo, die auch in Zukunft vom Ostberliner Innenministerium finanziell unterstützt werden soll, noch viel zu tun. Der Klub hat zwar den größeren Teil der acht Transfer-Millionen für seine Verkäufe gewinnbringend bei bundesdeutschen Banken angelegt, muß aber einen größeren Betrag für neue Spieler anlegen. Webster Chiquaballa (25) aus Sambia steht schon fest. Zugänge aus Polen und Dänemark sind geplant, von DDR-Klubs sollen Heiko Scholz (24) aus Leipzig und Uwe Rösler (21) aus Magdeburg eingekauft werden.
Der Klub, an dessen Spitze mit Alfons Saupe (48) ein ehemaliger Volkspolizeimajor steht, plant die Saison 1990/91 mit zwölf bis 16 D-Mark-Millionen. Bisher kam er mit fünf bis sechs Millionen Ostmark aus. Die Spieler kassierten ein Grundgehalt von 2.000 Ostmark im Monat. Dazu kamen Prämien für Siege und besondere Leistung. In Zukunft sollen die Gehälter dem bundesdeutschen Zweitliganiveau (bis zu 10.000 D-Mark) angepaßt werden. Erhebliche Preiserhöhungen von derzeit 2,10 für den Steh- und bis zu 6,10 Ostmark für den Sitzplatz stehen bevor.
Schließlich müssen außer den Profis noch bis zu 50 andere Angestellte finanziert werden. Das klubeigene Stadion schlägt stark zu Buche. Ein Ausbau der seit 30 Jahren nicht mehr renovierten Anlage kostet nach offiziellen Angaben 60 Millionen. Vielleicht engagieren sich auch in diesem Bereich die bundesdeutschen Firmen, die das Stadion mit ihrer auffälligen Werbung schon heute beherrschen.
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