Ein klarer Fall fürs Kartellamt

„Länderspiel“ BRD-CSFR 1:0 / Ausgelatschte Schluffen treffen sich zum fußballerischen Täuschungsmanöver  ■  Aus Düsseldorf Herr Thömmes

Eigentlich sind Fußballspiele wie das am Samstag justiziable Angelegenheiten, es hat sie nur noch niemand zur Anzeige gebracht. Schwer zu sagen, ob das Gericht auf hinterlistige Täuschung oder vorsätzlichen Betrug in Tateinheit mit Verstoß gegen das Warenauszeichnungsgesetz entscheiden würde; möglicherweise aber verkrümelte sich die Klassenjustiz auch wieder einmal nur zwischen ihren Paragraphen.

Ist doch wahr! Mit Orangen- und Maracujagetränken geht das nicht. Da weiß heutzutage jeder, was ihn erwartet, wenn auf dem Etikett steht: Saft, Extrakt, Nektar. Nur der DFB zieht sich fein aus der Affäre und schreibt auf die Karte: Länderspiel. Da läßt sich schwer gegen argumentieren. Weil ganz zweifelsohne am Samstag auf dem Rasen des Düsseldorfer Rheinstadions sich zwei Nationalteams gegenüberstanden. Und weiter?

Um zu verstehen, warum die 90 Minuten zwischen der Bundesrepublik und der Tschechoslowakei so und nicht anders verliefen, bedarf der Begriff des Länderspiels einer Differenzierung. Relativ einfach ist es dort, wo mehr als der schlechte Ruf auf dem Spiele steht: bei Welt- oder Europameisterschaften rsp. den Qualifikationen dorthin. Andernfalls indes unterscheidet einer wie Franz Beckenbauer das Freundschafts-, Test- oder Vorbereitungsspiel, wobei unklar bleibt, welcher Bezeichnung er in welchem Falle den Vorzug gibt. Für Freunde des Fußballspiels wiederum ist das ziemlich einerlei, es bedeutet: Vorsicht!

Natürlich stellt sich der Teamchef nicht vorher hin und sagt: Könnt ihr alles vergessen, sondern: „Ich gehe davon aus, daß wir gut spielen.“ Und eigentlich wäre davon auszugehen, daß von den aufgebotenen Akteuren ein jeder vom Eigennutz getrieben wird, eine möglichst gute Figur abzugeben. Von wegen Stammplatz und Marktwert. Aber andererseits sind da die wertvollen Knochen, und die sollen heile bleiben bis zu dem Moment, wo's wirklich drauf ankommt.

Es schlummert in solchen Spielen mithin ein gewaltiger Widerspruch, den aufzubrechen jedoch kein Zuschauer jemals das Vergnügen hatte. Vielmehr gehen die Kicker in einer Art konzertierter Aktion daran, die Zeit ohne Weh über die Runden zu bringen, ein Fall nicht unbedingt für den Staatsanwalt, so doch fürs Kartellamt: Unerlaubte Absprache von Marktgrößen?

Fakt jedenfalls ist, daß derzeit die Ansprüche auf einen Platz in der Primärelf eher verbal gestellt werden. Da schreit in Malente oder Kaiserau und später dann Kaltern jeder, kaum daß er eines Journalisten anheischig wird: Hierher geblickt, ich bin euer Mann!, aber den Chef ficht das nicht an. Weil der sich festgelegt hat bis auf die Herren Bein/Möller, wobei erstmal der Schon-Frankfurter den Vorzug erhielt und das nutzte, das einzige Tor des Tages zu produzieren: Steil geschickt von Matthäus, rannte er der steifhüftigen Abwehr davon und schob ultracool den Ball ins Netz. Es hätte nach gut einer Stunde sein Kreditrahmen sogar noch erweitert werden können, doch da war dann nach trefflichem Paß von Littbarski Torhüter Stejskal vor.

Ach, das freute den Teamchef, daß von dieser Konkurrenz etwas Leben ausging, und so war er zufrieden mit dem Bein. Der habe diesmal sogar „Zweikämpfe gewonnen“, und dabei lächelte Beckenbauer mild und hintergründig wie Mona Lisa. Läuft doch alles wie geschmiert. Kein grober Ausfall dabei, und weil keiner der Spieler seinem Angebot folgte: „Wer nach siebzig Minuten nicht mehr kann, braucht nur den Arm zu heben“, schritt Kaiser Salomon selbst zur Tat und vollbrachte, was in die Geschichte als „Massenauswechslung“ eingehen wird: Drei Mann raus, drei Mann rein, nachdem zuvor schon Littbarski mit Möller getauscht hatte, womit sich alle Debatten über Positionskämpfe weiter erübrigen.

Die CSFR spielte ihren Part bei dieser Aufführung ordentlich und wie von Beckenbauer angekündigt: „Gute Fußballer, auch wenn sie langsam sind.“ Die brachten nicht einmal das Wackeltrio Augenthaler/Kohler/Buchwald richtig durcheinander, und welche Schlüsse ein Trainer daraus ziehen kann, hat der nicht verraten. Auch nicht, was er mit dem Hausarzt macht. Prof. Liesen nämlich hat bei der Ohrblutentnahme dem Probanten Häßler die besten Werte in der Ausdauerleistung bescheinigt, wovon dann bloß nichts zu sehen war. Das Mißtrauen des Autodidakten Beckenbauer in die Wissenschaft dürfte das nur gesteigert haben.

Allein Rudi Völler hat vom Wesen des Länderspiels nichts verstanden. Der rannte und kämpfte und machte, daß es den Fans eine Freude war, ganz getreu der Selbsteinschätzung „Ich bin fit wie ein Turnschuh“. Der ganze Rest: eher ausgelatschte Schluffen.

BRD: Illgner-Augenthaler-Kohler, Buchwald-Häßler (76. Berthold), Littbarski (70. Möller), Matthäus, Bein (76. Thon), Brehme-Klinsmann (76. Mill), Völler.

CSFR: Stejskal-Kocian-Kadlec, Bielek-Bilek (85. Weiss), Hasek, Chovanec, Kubik, Straka-Skuhavry, Moravcik (46. Knoflicek).

TOR: 1:0 Bein (24.)