: No sex, no drugs...
■ ...in the taz / Zwei wollen im Büro nicht auf alles verzichten
„Mach endlich deine Lulle aus“, der müßige Nichtraucherkollege nervt schon wieder seine schwer arbeitende Kollegin am Computer und stürzt sie schon wieder in den Gewissenskonflikt im Stundentakt. Rauchen ist unsozial, ja, ja, ja, das weiß sie, aber bitte nur noch diese eine. Aber ab morgen wird in die Offensive gegangen, Schluß mit diesem weinerlichen Gejammere nach der allerletzten Zigarette. Es muß endlich einmal die kulturhistorische und vor allem die erotische Bedeutung des Rauchens untersucht werden.
Was wäre denn Humphrey Bogart ohne die Kippe im Mundwinkel, wer würde von Jean Paul Belmondo denn noch reden, wenn er in „Außer Atem“ die Gauloises nicht so unnachahmlich sinnlich auf den Lippen hätte balancieren lassen. Und wer bewundert nicht Marlene Dietrich mit ihrer lasziven Zigarettenspitze. Die Erotik in den Filmen der Nichtraucherära dagegen ist wirklich platt. Da gibt es kein Vorspiel im blauen Dunst, keinen einnebelnden Rauch, da zittert keine Zigarette zwischen schmalgliedrigen Fingern mit rotlackierten Nägeln, es gibt nicht einmal mehr den vielversprechenden Augenaufschlag über dem flammenspendenden Silberfeuerzeug. Nein, es geht gleich zur Sache, husch, husch ins Bett. Und da liegen sie dann, die halbentblätterten neuzeitlichen Rosenkrieger und Kühlschrankerotiker und wollen dem Publikum weismachen, daß da sowas wie Spannung, Prickeln, gar Leidenschaft (!) dabei sein soll. Was für ein Verlust der erotischen Kultur! Und es kommt noch schlimmer. Nicht einmal die Zigarette danach wird einem gegönnt, das Symbol für tiefe und tiefste Entspannung oder gar Zärtlichkeit. Nein, die Liebenden quälen sich direkt aus den Laken in das Großraumbüro. Dort sitzen die Technokraten, die glatten Problembewältiger, bei denen es nur im Kopf rotiert, die mit ihren eigenen Problemen aber trotzdem nicht fertigwerden. Ist der zwanghafte Schokoladenkonsum etwa nur reine Kalorienaufnahme?
„Mach endlich deine Lulle aus“, ach ja, es stimmt, wir sind ja nicht im Film, sondern bei der taz. Und da gehen wir nicht zusammen ins Bett.
Anita Kugler/Martina Habersetzer
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