: Alter schützt vor Torheit nicht
■ „Die Skorpionfrau“, ein Debütfilm der Österreicherin Susanne Zanke
Lisa (Angelica Domröse) ist 44, geschieden und lebt mit ihrem 18jährigen Sohn zusammen. Als Richterin ist sie erfolgreich, in der Beziehung zu einem wortkargen Vernunftmann kann sie unabhängig bleiben. Lisa ist flott und emanzipiert - vielleicht ein wenig abgespannt, vielleicht ein bißchen einsam.
Ausgerechnet während einer Verhandlung, in der eine 47jährige angeklagt wird, ihren 15jährigen Liebhaber mit dem Schürhaken bearbeitet zu haben, verliebt sich Lisa in ihren Gehilfen Rudi (Fritz Hammel). Rudi ist zwanzig jahre jünger und erfrischend abwechslungsreich: Im Gerichtssaal ein aufstrebender Referendar (mit Fliege), beim Spaziergang ein ausgelassener Junge (im sportiven Rollkragenpulli), unter Yuppies ein Grand Seigneur (saloppes Sakko), im Bett ein Wilder (nackt).
Mit Wiener Charme und Akzent raspelt Rudi Süßholz, Lisa kann nicht widerstehen. Noch ehe die Liebesgeschichte beginnt, liegen Frau und jugendlicher Liebhaber im Bett. Mit den zwitschernden Vögeln am Morgen danach kommen Probleme. Nicht nur weil Sohn und langjährige Beziehung murren. Wie der Alkohol wird Rudi für Lisa zum lebensnotwendigen Elixier. Beruf, Privatleben und Jüngling entgleiten alsbald ihrer Kontrolle. „Du kannst mich nicht verletzen“, sagt der Luftikus unberührt zum Abschied, kurz vor der (übertrieben spektakulären) Katastrophe. Und so trifft die Skorpionfrau mit ihrem Stachel am Ende nur sich selbst.
Die Skorpionfrau erzählt einfühlsam von den Schwierigkeiten einer Frau mit dem Älterwerden. Ungeschminkt zeigt der Film ihren zum Scheitern verurteilten Versuch, aus der Alltagsroutine auszubrechen und in der Beziehung zu einem jüngeren Mann Unbeschwertheit und verloren geglaubte Lebenslust wiederzufinden.
Manchmal erscheint die Filmgeschichte jedoch etwas abgegriffen, was sich überdeutlich in der Verknüpfung von Gerichtsverhandlung und Lisas Fall bemerkbar macht. Der Handlungsverlauf ist, weil schon zu oft gesehen, allzu vorhersehbar. Denn ob sich Jeanne Moreau in einen Halbwüchsigen verliebt oder Jane Birkin den Freund ihrer Tochter verführt - die Probleme sind mehr als ähnlich, vorübergehende Verjüngungskuren enden meist tragisch. Daß der Film trotz aller Berechenbarkeit für Überraschungen gut ist, verdankt er den überaus einfallsreichen Dialogen und den hervorragenden Schauspielerinnen und Schauspielern, vor allem aber seiner Hauptdarstellerin.
Angelica Domröse, immer wieder in Großaufnahme, zaubert auf ihr Gesicht in Sekundenschnelle die verschiedenen Facetten einer Frau: für einen Moment eine steinerne Fassade, ein Muskel zuckt verräterisch, bevor der Mund entspannt, die Nase kräuselt, und Lachfalten erscheinen.
Regisseurin Susanne Zanke erweist sich als aufmerksame Beobachterin unterschiedlicher Milieus. Die heurigen-selige Atmosphäre, in der die Chauvi-Kollegen der Frau Richterin eindeutige Angebote machen, wird mit wenigen Bildern genauso gekonnt eingefangen wie eine Yuppie-Disko, in der es gelangweilt zu nippen gilt. In diesen Szenen lichtet sich der Dunstkreis um das miefige, dekadente (Wiener) Großbürgertum und hinter Lisas Geschichte blitzt bissige Gesellschafts- und Kultursatire auf.
Michaela Lechner
Susanne Zanke: „Die Skorpionfrau“. Mit Angelica Domröse, Fritz Hammel, Peter Andorai. Österreich 1989, 100 Minuten.
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