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Ende Juni noch DDR-Mark-Löhne?

■ Streit um die ersten D-Mark Löhne / Betriebe wollen Lohnzahlung in den Juni vorziehen und D-Mark sparen / Ministerium: Das wäre „gesetzwidrig“

Berlin (taz) - VEB Elektroapparatewerke Treptow, Vertrauensleute-Vollversammlung Dienstag nachmittag. Der Kultursaal ist halb gefüllt, etwa zweihundert Kollegen, auch einige Kolleginnen, vertreten die achteinhalbtausend Beschäftigten. Das ehemalige AEG-Werk hat in den letzten vierzig Jahren wenig modernisiert, hier wurde ein seit der Öffnung der Mauer vollends unverkäufliches Radiogerät produziert, diese Produktionslinie wurde schon eingestellt. Mit der Währungsunion und der West-Konkurrenz stehen erhebliche Umstellungen in der Produktion und vor allem im Verwaltungsapparat an.

Der amtierende Betriebsdirektor Kipper und der Ökonomische Direktor Dr. Ludwig hatten am Dienstag eine besondere Nachricht für ihre Belegschaft: Die Löhne für den Monat Juni, die normalerweise um den 12. des Folgemonats fällig wären, sollen schon Ende Juni ausgezahlt werden. In Mark der DDR selbstverständlich. Die Lohnspanne liegt zwischen sechshundert (für Frauen am Band) und eintausendfünfhundert Mark für Leistungsarbeiten. Bleibt auf dem Konto am 2. Juni die Hälfte des Lohnrestes.

Begründung des VEB-Direktors: Da alle Verbindlichkeiten des Betriebes im Verhältnis 1:2 umgetauscht werden, könnten die Löhne für den Juni Anfang Juli nicht 1:1 in D-Mark ausgezahlt werden. Die Versammlung reagierte auf diese Ankündigung nicht, kaum jemand schien begriffen zu haben. Eine betriebsfremde Frau machte die gewerkschaftlichen Vertreter auf das Problem aufmerksam. Gemurmel im Saal, Gespräche untereinander. Dann werde ja von Ende Juni an sechs Wochen lang kein Lohn mehr bezahlt, da die Juli-Löhne am 12.August fällig sind, rechnete ein Vertrauensmann am Mikrophon vor.

Eigentlich war die Versammlung schon zu Ende gewesen. Versammlungsleiter Werner Kuhl warf die Frage auf, ob jemand einen Antrag zu dem Thema stellen wollte, damit er abstimmen lassen könne. Keiner stellte einen Antrag. Die Frau wollte eigentlich auf den Paragraphen 218 zu sprechen kommen, ein Vertreter der Betriebsgewerkschaftsleitung drehte das Mikrophon ab.

Bei der Gewerkschaftsleitung der EAW war gestern nicht zu erfahren, ob es in der Frage inzwischen Gespräche mit der Betriebsleitung gegeben hat. Der BGL-Vorsitzende des Betriebes Elektronik, Joachim Neef: „Ich hoffe, daß es nicht so eintrifft. Das wäre der nächste Beschiß.“

Das Ministerium für Arbeit und Soziales sah sich gestern gezwungen, in einer allgemeinen Erklärung darauf hinzuweisen, daß „die von einigen Betrieben bekanntgewordene Absicht, im Juli fällige Löhne und Gehälter bereits im Juni auszuzahlen“, um die Währungsumstellung auf die D-Mark auszunutzen, „unzulässig“ sei und „im Widerspruch zu den gesetzlichen Regelungen“ stehe.

Die Umstellung der Währung auf D-Mark am 2. Juli hat auch für die Gehaltsempfänger Folgen: Da ihre Gehälter gewöhnlich Mitte des Monats ausgezahlt werden, müssen die Gehaltsempfänger den halben Juli mit ihren gehamsterten Lebensmitteln oder eben mit dem 1:2 umgetauschten, also halben Lohn auskommen. Noch ist keine Hamster-Welle ausgebrochen in den Läden der DDR. Bisher schleppen die Frauen erst Klopapier, Nudeln und Mehl zu den noch subventionierten Einheitsverkaufspreisen aus den Läden.

K.W.

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