: „Nicht das mindeste Rechtsempfinden“
Dr. Wolfgang Ullmann (Demokratie Jetzt), Vizepräsident der Volkskammer, zur Übertragung der Parteivermögen an die Regierung ■ I N T E R V I E W
taz: Herr Ullmann, Wie bewerten Sie die Entscheidung zur Enteignung der PDS?
Wolfgang Ullmann: Ich gebe in diesem Punkt Herrn Gysi vollständig recht: Schon der Verlauf der Abstimmung in der Volkskammer hat gezeigt, daß Gysis Befürchtungen in vollem Umfang berechtigt sind. Heute ist meines Erachtens folgender Fall eingetreten: Eine Mehrheit im Parlament hat ihre demokratisch legitimierte Mehrheit zu undemokratischen Zwecken mißbraucht. In einem Parlament ist es üblich, einen Ausschuß und nicht die Regierung mit der Kontrolle eines Beschlusses zu beauftragen.
Wie ist es möglich, daß sich das erste demokratische DDR -Parlament im Handstreich entmachten läßt?
Das hängt damit zusammen, daß man hier offenkundig unter dem Einfluß der alten diktatorischen Strukturen nicht das mindeste Rechtsgefühl und nicht das mindeste Gefühl für demokratische Prozeduren hat. Hier liegt überhaupt ein Mangel an Sensibilität für die Ungeheuerlichkeit dieses Vorganges vor. Das Gleiche hat sich schon in der Verfassungsdebatte abgezeichnet. Bei dem heutigen DSU-Antrag zur Entfernung der DDR-Embleme an allen Gebäuden konnte das Parlament nicht mehr sagen, ob es sich um einen verfassungsändernden Antrag handelte oder nicht.
Konrad Weiß, wie Sie Mitglied von „Demokratie Jetzt“, hat heute zur faktischen Enteignung gesagt: „Endlich! Das Verfahren ist nicht so wichtig.“
Da bin ich anderer Meinung. Rechtsfragen sind keine Verfahrensfragen. Das Bündnis '90 hat sich in der Schlußabstimmung enthalten, weil die parlamentarische Kontrolle fehlt.
PDS-Abgeordnete sprachen gerade vom „Finale“ für ihre Partei.
Das ist wahrscheinlich ein richtiges Gefühl. Es kann ja sein - das gibt es in der Geschichte immer mal wieder -, daß eine politische Bewegung an ihr Ende gerät. Aber man muß aufpassen, und auch das haben wir in der deutschen Geschichte öfter gehabt, daß das Ende von Linksparteien nicht zugleich das Ende der Demokratie bedeutet.
Interview: Petra Bornhöft
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