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Deutsche auf der Couch

■ „Auschwitz werden uns die Deutschen niemals verzeihen“. Vortrag von Dierk Juelich

Im August wird in der Bremer Rathaushalle die Amsterdamer Ausstellung „Die Welt der Anne Frank 1929-1945“ gezeigt. Das „Bildungswerk für Umwelt und Kultur“ bietet, weiträumig verstreut, vier Vorträge an. Zum Thema Antisemitismus und Ausschwitz.

Warum mogelt sich in der Schreibweise von Deutschen so häufig ein zweites s in Auschwitz ein? Warum ist es im Bildungswerk keinem aufgefallen, daß auf dem Ankündigungszettel gleich fünfmal Ausschwitz steht? Warum verliert auch der Psychoanalytiker Dierk Juelich kein Wort darüber, obwohl er doch von der „sprachlosen Wiederkehr des Verdrängten“ spricht?

Der Titel seines Vortrags: „Auschwitz werden uns die Deutschen niemals verzeihen“ ist das Zitat eines jüdischen Arztes. Warum nimmt Juelich diesen Satz, der unversöhnlich auf die Kälte der Täter zeigt, um daran

„das Paradoxon in der psychischen Verarbeitung bei den Deutschen in Bezug auf das, wofür Auschwitz steht“, zu untersuchen? Und warum spricht er immer von „der Shoah“? Benutzt also das Wort aus dem Hebräischen, das seit Claude Lanzmanns Dokumentation das Wort sein muß und bleiben muß, mit dem die Überlebenden in ihrer Sprache den millionenfachen Mord an ihrem Volk, den „Untergang“, benennen. In deutschem Mund hat dies Wort des Erleidens nichts zu suchen.

Juelich möchte sich dem „schwierigen“ Thema „ein Stück weit“ mit uns „gemeinsam“ annähern, „kritische Aufarbeitung“ leisten, weil es „damals in Deutschland eine verstehende intrapsychische Aufarbeitung dieses Geschehens nicht gegeben hat.“ Und warum wird mir bei solchen Worten kalt? Läßt sich der Mord an sechs Millionen Menschen „verstehend intrapsy

chisch aufarbeiten“? Läßt sich das Morden „verstehen“ aus der „kollektiven narzißtischen Kränkung“ der Deutschen, die immer vergeblich nach „nationaler Einheit“ strebten? Läßt sich die Verdrängung „dessen, wofür Auschwitz steht“ - wie Juelich das dauernd formelhaft umschreibt - erklären aus dem „Trauma, daß sich die nationalsozialistischen Verheißungen nicht erfüllt haben“?

So viele rhetorische Fragen an das hermetische Modell, das Juelich da entwickelt. Mit Kategorien der Psychoanalyse legt er „kollektiv“ die Deutschen auf die Couch. Die „pathogene Psychostruktur“ der Deutschen und ihre „massive Selbstwertproblematik“ brauche „die Entwertung der Juden zur Aufrechterhaltung des höchst gefährdeten status

quo“. Doch was für das Individuum in der Psychoanalyse triftig ist, was sich im Gespräch, im Nacherleben und Erinnern jedesmal neu entwickelt - das kann nicht in gleicher Weise auf ein Kollektiv übertragen werden. Den fabrikmäßig organisierten, schweigend geduldeten Massenmord an Millionen Juden aus dem narzißtisch gekränkten Nationalcharakter der Deutschen zu „erklären“ - das ist der dürftige Versuch, ein familiales Kategoriensystem anzuwenden auf beispiellose, unfaßliche Grausamkeit, die mit nichts zu vergleichen ist als mit ihrer eigenen Monstrosität. „Auschwitz steht für das Mißlingen der Anstrengung, sich omnipotent zu fühlen“, sagt Juelich. Ach ja, was haben wir Deutschen es doch schwer.

Sybille Simon-Zülch

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