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Der Kanalarbeiter

■ Tele-Tips aus der Provinz

Mit einem wahren Powerplay an Filmen und Dokumentationen suchen unsere Anstalten einander am Pfingstwochenende zu übertrumpfen. Dem kann nur begegnet werden, indem sich mehrere Videobesitzer zusammentun und Aufzeichnungsgemeinschaften bilden, damit anschließend alles sorgsam und im Vollbesitz aller geistigen Kräfte weggeguckt werden kann. Tele 5 zum Beispiel legt schon am Samstag morgen um 10.40 Uhr gut vor mit Buster Keatons Spielfilm Our Hospitality, für den der begnadete Komiker wieder atemberaubende Stuntszenen und köstliche Gags kreierte.

Die Verfilmung einer Ballade ist selbst im an Kuriositäten reichen Hollywood nicht an der Tagesordnung. Der Countrysänger C.W. McCall schrieb den Song Convoy, Sam Peckinpah inszenierte im Jahr 1978 den dazugehörigen Film, der laut Leslie Halliwell zu laut ist, um ihn zu verschlafen. Um 20.15 Uhr heißt es also Ton abdrehen oder von RTL umschalten auf einen anderen Sender, sofern Vatis Nickerchen nicht gestört werden soll. Etwas lauter darf dagegen der Konzertmitschnitt Jazz an einem Sommerabend genossen werden, mit dem die Nordkette am Samstag um 22.20 Uhr eine zehnteilige Reihe mit teils sehr unterschiedlichen Musikfilmen eröffnet.

Stefan Lorant gehörte als Kameramann und Regisseur zu den deutschen Filmpionieren, wechselte aber später als Portraitist der großen Filmstars jener Jahre zum Journalismus. In der Sendung Zeitgeschichte im Fernsehen des Bayerischen Fernsehens berichtet der Zeitzeuge um 22.35 Uhr aus seinem erlebnisreichen Leben.

Jess Franco ist der ungekrönte König des C-, D-, E- und F -Films, herrschte einst unumschränkt über Bahnhofs- und Vorstadtkinos, als es diese noch gab, und arbeitet(e) unter einer nicht zu überblickenden Anzahl von Pseudonymen als Autor, Regisseur, Schauspieler, Musiker und weiß der Himmel was noch alles. Die Rolle des Marquis de Sade konnte er nicht trefflicher besetzen als mit dem als Ekelpaket immer wieder überzeugenden Klaus Kinski, der in dem 1969 entstandenen Film Marquis de Sade: Justine ausgerechnet Romina Power quälen darf, was er hoffentlich ausgiebig mit Herzens- sowie Wollust besorgt, da uns ja diese Dame ihrerseits seit ihrer unseligen Verbindung mit dem öligen Al Bano ständig mit gräßlichen italienischen Schlagern malträtiert. Um 23 Uhr hat RTL das Machwerk im Programm und eröffnet damit hoffentlich die längst überfällige Jess -Franco-Retrospektive.

Als hätten sie sich verabredet, zeigen DFF 2 und ZDF über Pfingsten zwei verschiedene Fassungen von Die Kameliendame. Die DDRler offerieren am Sonntag um 23.05 Uhr die 80er Version mit Isabelle Huppert; die Mainzelmänner senden zum Vergleich am Montag um 9.45 Uhr die legendäre Hollywood -Verfilmung mit einer brillanten Greta Garbo in der Hauptrolle.

TV-mäßig omnipräsent ist seit einiger Zeit die kulleräugige Liza Minelli - als hätten sich einige leitende Herren verschiedener Sender verabredet, ihr eine Retrospektive zu widmen... Am Sonntag sehen wir sie um 22.55 Uhr im ZDF neben Ingrid Bergman in Nur eine Frage der Zeit. Einige Stunden zuvor, um 14.30 Uhr, entscheidet sich Lizas Mutter Judy Garland für Pro 7 in einem britischen Spielfilm Zwischen Ruhm und Liebe. Der Vergleich des schauspielerischen Vermögens von Mutter und Tochter könnte ganz reizvoll sein.

„Ich möchte, daß die Leute über mich lachen, bis sie anfangen, über sich selbst zu lachen“, sagt O.W. Fischer als Titelheld in Peter Voss, der Millionendieb, einer der aufwendigsten deutschen Spielfilmproduktionen der fünfziger Jahre, die großenteils an exotischen Schaulätzen gedreht wurden. Weil die Wirtschaftswunderkinder sich nur allzu gerne eine herrliche bunte Welt zeigen ließen, gab es 1959 einen zweiten Teil mit dem Titel Peter Voss, der Held des Tages, den das ZDF am Montag um 17.05 Uhr vorführt. Wieder mit dabei: Walter Giller als Bobby Dodd und Peter Mosbacher, der, nebenbei bemerkt, aussieht wie 'Titanic'-Redakteur Bernd Fritz. Die Zeit bis zur heute-Sendung überbrückt in nahtlosem Anschluß der „Oscar„-prämierte Puppentrickfilm Balance von den Gebrüdern Lauenstein.

Ava Gardner, Deborah Kerr und „Lolita“ Sue Lyon bemühen sich in Die Nacht des Leguan um den beneidenswerten Expriester Richard Burton, der allerdings lieber zurück in den Schoß von Mutter Kirche möchte. Anthony Veiller und der knorrige John Huston schrieben das Drehbuch nach dem gleichnamigen Bühnenstück von Tennessee Williams, dem Huston Gelegenheit gab, das Skript durchzusehen und gegebenenfalls zu korrigieren. Somit dürfte die von Starregisseur Huston auch inszenierte Verfilmung aus dem Jahr 1964 eine sehr authentische sein. Das Echsenepos beginnt am Montag um 21.55 Uhr im ZDF und wird abgerundet durch das nachfolgende Feature über Tennessee Williams mit dem Titel Endstation New Orleans.

Harald Keller

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