piwik no script img

Die PDS und ihre finanziellen Altlasten

■ Die PDS hat ihr Vermögen verschleiert / Von Petra Bornhöft und Wolfgang Gast

Wie reich ist die PDS? Viele spekulieren, wenige wissen Genaues. Parteichef Gysi beklagt sich nun bitter über die Quasi-Enteignung durch die Regierung - tatsächlich hat die PDS nichts getan, um einer solchen Aktion durch Offenheit zuvorzukommen.

Die Nacht von Donnerstag auf Freitag wurde lang im „Wilhelm -Pieck-Haus“ der PDS im Berliner Bezirk Mitte. In seinen 20 Quadratmeter großen Büro durchlebte Parteichef Gregor Gysi innerhalb weniger Stunden alle möglichen Gefühlslagen: Wut, Verbitterung und Resignation. Zwischendrin zeigte er sich aber immer wieder auch kämpferisch: „Wir lassen uns nicht klein kriegen.“

Die Diskussion um eine mögliche Enteignung der PDS als Rechtsnachfolgerin der SED lag in den vergangenen Wochen zwar deutlich in der Luft, der Beschluß der Volkskammer vom Donnerstag, mit dem das Vermögen aller Parteien handstreichartig einer treuhänderischen Regierungskommission unterstellt werden soll, schlug dennoch ein wie eine Bombe. Was den agilen Parteichef am meisten empört: keiner wußte vorab um den Coup der Regierungsparteien - außer der 'Berliner Zeitung‘, und die gehört immerhin noch zum PDS -Vermögen.

Die Partei des demokratischen Sozialismus hat es in den vergangenen Wochen und Monaten nicht geschafft, am Thema Parteifinanzen den behaupteten Erneuerungsprozeß glaubwürdig nach außen zu vertreten. Zwar wurden etliche Liegenschaften abgegeben, einen Gesamtüberblick über ihr Vermögen blieb die Partei aber schuldig.

Mehrere Zeitungen spekulierten gestern, das Wirtschaftsvermögen der SED-Nachfolgerin PDS müsse allein in der Bundesrepublik eine Milliarde Mark betragen. Geschlossen wird dies aus einem Schreiben des früheren Stasi-Oberst und Chefdevisenbeschaffers Alexander Schalck-Golodkowski an Staats- und Parteichef Honnecker vom 9.Dezember 1988. Nach diesem Bericht - über die Einnahmen und Planungen für 1988/89 - schütteten die im Bundesgebiet angesiedelten SED -Firmen 1898 knapp 60 Millionen an den „disponiblen Fond der Partei“ aus. Unter Berücksichtigung des allgemein üblichen Ausschüttungsverhaltens in der Wirtschaft wollen Experten daraus die Summe von knapp einer Milliarde D-Mark Kapital errechnet haben.

Auch am Beispiel der ORWAG AG mit Sitz in der Schweiz bleibt einiges offen. Von der „Abteilung Verkehr“ im alten ZK der SED geführt, hielt die ORWAG beispielsweise den Westberliner „Zeitungsdienst Berlin Verlags- und Druckerei GmbH“ und darüber wiederum das Westberliner „Druckhaus Norden“, in dem der SED-Ableger SEW seine Parteischrift 'Wahrheit‘ drucken ließ. Die frühere ZK-Abteilung mit ihren über 200 Mitarbeitern ist aufgelöst, „die führenden Mitarbeiter gegangen worden“, wie das Präsidiumsmitglied Rainer Börner erklärt. Die Geschaßten hätten aber auch das Wissen darüber mitgenommen, wer überhaupt die Aktien der ORWAG in Händen hält.

Aber auch die Inlandsbesitztümer der PDS blieben und bleiben für Außenstehende undurchschaubar. Eine Offenlegung der Vermögensverhältnisse wäre aber durchaus möglich gewesen, heißt es bei den sogenannten Erneuerern im Präsidium. Zumindest eine grobe Schätzung des alten SED -Vermögens habe im Februar bereits vorgelegen. Der Druck der Enteignungsdiskusion habe aber dazu geführt, daß „die Eigentumsfrage fast schon geheimdienstlich gehandhabt“ wurde. „Von einigen alten Leuten wird selbst uns gegenüber geblockt“, stöhnt der Präsidiumsmitarbeiter. Der „Kampf, was zu wissen“ sei gegen die Apparatschicks „nicht konsequent genug geführt“ worden. Nach dem Konsolidierungsprozeß der Partei im Frühjahr sei allgemein die Losung ausgegeben worden, „die finanzielle Situation der Partei sicherzustellen“.

Parteichef Gregor Gysi findet auch heute nichts Anrüchiges daran, daß beispielsweise Millionenbeträge der PDS in die Gründung einer „Medienforschungs GmbH“ einfließen sollen. Die zwölf Million Mark der DDR und acht Million DM-West, von zwei PDS-Mitgliedern als Gesellschafter in die Westberliner Firma eingebracht, sind nach Gysi nicht der unstatthafte Versuch, einen Teil des Parteivermögen zu retten. Für ihn sind es nach außen vergebene Kredite. Das Risiko trage zudem die Partei: „Wenn die das Ding in den Sand setzen, haben wir Pech gehabt.“ Politisch begründet er den Millionendeal mit der Notwendigkeit für eine gesamtdeutsche Linke, im einig deutschen Vaterland über eigene Produktionskapazitäten im Medienbereich zu verfügen.

Das Finanzgebahren der PDS läßt sich auf die zweigleisige Formel bringen: Geld erhalten, Einnahmen sichern - Kosten und Zuschüsse loswerden. Nachzeichnen läßt sich das bei den alten Gästehäusern der SED und den Parteischulen, die den Kommunen übereignet wurden. Wurden Einrichtungen beispielsweise für den Sozial- und Gesundheitsbereich noch Anfang des Jahres zum Nulltarif verschenkt, griff im Falle der Ferienhäuser ein anderes Modell: Gemeinsam mit den Kommunen - die in der Mehrzahl Eigentümer von Grund und Boden sind - wurden für die millionenschweren Immobilien neue Gesellschaften gegründet, das Parteieigentum so in Volkseigentum überführt und der Nutzungszweck vereinbart. Die Kommunen dürfen nach dieser Regelung auch Joint-ventures mit westlichen Partnern eingehen. Sollten sie aber mehr als 50 Prozent der Liegenschaften an andere abtreten, wird der vorher vereinbarte Kaufpreis anteilig fällig - zahlbar an die PDS. Als Schutzklausel wird das im PDS-Vorstand verstanden, um zu verhindern, daß die Kommunen die Immobilien an kaufkräftige Kunden aus dem Westen verscherbeln und damit der Öffentlichkeit entziehen. Wenn die Kommunen mit Einzug der Währungsunion gezwungen sein könnten, zur Finanzierung ihres Haushaltes ihre Vermögen zu verschachern, soll die PDS daran keinen Schaden nehmen.

„Ende 1991 sind wir sowieso pleite“, orakelt der PDS -Schatzmeister Wolfgang Pohl mit Blick auf die immensen Aufwendungen, die die Partei durch Renten, Überbrückungs und Vorruhestandsregelungen zu leisten hat. Für 1990 soll die PDS 205 Millionen Mark für die Zahlung von Überbrückungsggeldern bereitgestellt haben. Zwei Jahre lang soll damit die Differenz zwischen altem und neuen Einkommen der früheren Bediensteten ausgeglichen werden. Bleibt für die PDS-Kasse noch der Bereich der Partei-Ehrenrenten, die überwiegend in einer Höhe von 100 bis 200 Mark zur sozialen Absicherung an Tausende verdienstvolle Parteisoldaten gezahlt wird. Auf einen Schlag sollen die Empfänger nun noch vor der Währungsunion den Betrag einer Jahresrente ausgezahlt bekommen. Dann sei sowieso Ebbe in der Kasse.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen