: „Es gibt keinen Grund für Angstreaktionen“
Bonner SPD entwickelt Strategie gegen Ausweitung der PDS auf die Bundesrepublik / „Personelle Basis“ für PDS „gleich Null“, aber Chancen bei den Intellektuellen und „Vereinnahmung des linken SPD-Flügels“ befürchtet / „Naive Neugier an Gysi“ / Jusos werden gescholten ■ Von Petra Bornhöft
Berlin (taz) - Die Bonner SPD rechnet damit, daß die „in der Tradition der SED“ stehende PDS ihre Tätigkeit auf das Gebiet der Bundesrepublik ausdehnen wird, weil sie fürchte, „mit der DDR als 'DDR-Partei‘ unterzugehen“. Die PDS im Westen „wäre eine gegnerische Partei mehr“, lautet die entschiedene Absage an die GenossInnen der DDR, formuliert in einem internen Strategiepapier vom 28. Mai 1990. Der Text, der keine Auseinandersetzung mit Programmatik und aktueller Politik der PDS enthält, ist auch als vorweggenommene Antwort auf den offenen Brief des PDS -Vorsitzenden Gregor Gysi an die SozialdemokratInnen aus der vergangenen Woche zu verstehen. Darin hatte Gysi gefordert, die „historische Chance“ für ein Bündnis der „deutschen und europäischen Linken“ zu nutzen. Unmittelbarer Anlaß für das intensive SPD-Studium des PDS-Organs 'Neues Deutschland‘ und anderer einschlägiger Publikationen bildeten offenbar Umfragen im Auftrag der Springer-Presse. Sie legten, so der sozialdemokratische Autor, „den Schluß nahe, daß zumindest Teile der konservativen Presse die PDS-Expansion zu dem Versuch nutzen wollen, die SPD bei gesamtdeutschen Wahlen 'weg von der Macht‘ und an die 30-Prozent-Grenze zu schreiben“.
Die Sozialdemokraten gehen zunächst davon aus, daß „attraktive Partner für die SED-Erben in der Bundesrepublik“ fehlen. Außer einer „naiven Neugier an Gysi“ könne sich die Partei allenfalls auf „sektiererische Varianten der Linken“ stützen: DKP, Vereinigte Sozialistische Partei, Demokratische Sozialisten Karl Heinz Hansens. Deshalb verfolge die PDS bei ihrer Expansion drei „Hauptstoßrichtungen“: Fuß fassen bei den neuen sozialen Bewegungen, „systematisches Vernebeln vorhandener Unterschiede zur SPD, bezogen auf den demokratischen Sozialismus“, „Teile des linken Flügels der SPD sollen taktisch vereinnahmt werden“. In diesem Zusammenhang kritisieren die Strategen der Rhein-Baracke „naive Vorstellungen von 'Bündnispolitik‘, wie sie von Teilen der Jusos (Hannoveraner Kreis) vertreten werden“, weil diese „der PDS ihre politische Propaganda erleichtern könnten“. Hier sei eine „schnelle Klärung durch offene Diskussion notwendig“. Wohlwissend, daß die DDR-SPD nicht zur Speerspitze sozialdemokratischen Fortschritts zu rechnen ist, vermutet deren West-Mutter den PDS-Versuch, „die SPD in der DDR gegen Teile der SPD-Linken“ in der Bundesrepublik auszuspielen. Außerhalb der politischen Sekten - „bei den Grünen kommt jede Annäherung an die PDS der Selbstvernichtung gleich“ - oder der SPD-Linken könnte sich der Gysi-Virus insofern ausbreiten, als die „PDS versucht, sich als nicht etablierte Partei der jungen Leute und der modernen Intelligenz- und Angestelltenschichten darzustellen“. Einer größeren Infektion der Intellektuellen im Bundesgebiet könne die Partei entgegenwirken, „wenn die SPD ihre Grundwertediskussion selbstbewußt fortsetzt, ein profiliertes Regierungsprogramm als moderne Alternative zur Kohl-Politik vorlegt, kulturelle Initiativen und Planungen im Hochschulbereich verwirklicht werden“. Zudem glaubt man in Bonn, „eine PDS-Kandidatur in der Bundesrepublik (werde) aufgrund der sich anbietenden Personen wenig attraktiv sein“.
Die Strategie gegen die PDS in der DDR besteht aus einem Satz und gründet sich - im Gegensatz zu Lafontainescher Rechnungsprüfung der Einheit - auf das Prinzip Hoffnung: „Bei einer konsequenten - auch auf den Ausbau der Organisation angelegten - Politik der SPD in der DDR und aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung wird für viele PDS-Wähler in der DDR der materielle Grund für die Wahl der SED-Erben entfallen“.
Daß die West-SPD die von den DDR-Koalitionsparteien in der vergangenen Woche beschlossene PDS-Enteignung energisch betrieben hat, ist bekannt. Zufrieden registrieren die Bonner Strategen: „Die Diskussion über das von der SED übernommene Vermögen wird von der PDS als existentielle Bedrohung wahrgenommen. Die Tatsache, daß die PDS mit 450.000 Mitgliedern gegenwärtig 10.000 Hauptamtliche beschäftigt (zum Vergleich: SPD mit 922.000 Mitgliedern ca. 950 Hauptamtliche) ist ein deutlicher Beleg dafür, daß diese Diskussion im Interesse der Demokratie und Chancengleichheit der Parteien notwendig ist.“
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