piwik no script img

Heroinhandel verbieten, Spritzen erlauben, Methadon nur für die Elendesten

■ taz-Gespräch über den neuen Drogenhilfeplan mit Guus van der Upwich, 42 Jahre, seit 1.2.90 Bremer Landes-Drogenbeauftragter

taz: Auf 140 Seiten Bremer Drogenhilfeplan haben Sie als neuer Landes-Drogenbeauftragter jetzt Ihre Visitenkarte abgegeben. Sie reden viel von „akzeptierender Drogenarbeit“, also vorbedingungslosem ersten Helfen. Wohnung und Nahrung, sagen Sie, sind elementare Rechte auch für jeden Junkie. Sie wollen aber die Notunterkunft Roonstraße räumen und das Haus danach mit cleanen Abhängigen belegen. Spielt also „akzeptierend“ nur im theoretischen Teil eine Rolle?

Guus van der Upwich: Akzeptierende Drogenarbeit heißt auch 'akzeptierte‘. In die Roonstraße mit den schmalen Bürgerssteigen und vielen Kindern kann man kein Haus hinsetzen, was von der Bevölkerung ein Höchstmaß an Toleranz verlangt. Das Clean-Konzept kann man dort zumuten, trotz der erwartbaren Rückfälle. Ich mute den Drogenabhängigen zu, 20 Minuten mit der Bahn zu fahren und dafür in einer etwas anonymeren Gegend zu wohnen. Das Haus Kattenturmer Heerstraße z. B. ist anonmer, da leben Abhängige und Substituierte.

Sie wollen um Ressourcen kämpfen. Die hochgelobte neue Entgiftungs-Station III in Sebaldsbrück war schon bei der Eröffung überbelegt; vom warmen Entzug ist nicht die Rede, weil das nur noch mehr Menschen anziehen würde, die ihre schrecklichen Erfahrungen mit dem kalten Entzug haben.

Wir haben zu wenig Betten und reagieren: Es soll in Sebaldsbrück eine 90-Tage-Kompakttherapie angeboten werden, eine Kurztherapie für alle, die noch nicht wissen, was sie wollen: betreutes Wohnen, ambulante Therapie, stationäre Therapie...

Thema Methadon. Sie schreiben, daß kontrollierte Methadonvergabe die konsequente Fortsetzung der Drogenpolitik sei. Es gibt augenblicklich über 60 Substituierte. Läuft das nach Ihrem Geschmack?

Abweichend von den strengen Bundes-Kriterien bieten wir eine soziale Indikation, die von einer Kommission entschieden wird; die meisten kommen da durch. Drogenabhängigkeit ist eine Sekundär-, keine Primärerkrankung. Der Sucht liegt immer eine psychische Störung vor, die therapeutisch bearbeitet werden muß. Viele Krankenversicherte, also noch recht stabil Eingebundene, wollen jetzt Methadon. Sind aber nicht diejenigen die Zielgruppe der Substitution, die ganz schlimm verelendet sind, die wir mit Therapien nicht erreichen?

Das schließt sich doch nicht aus.

Therapien haben da ihre Erfolge, wo die Leute noch stabil sind...

Mit etwa 10 Prozent Erfolgsquote...

Nee. 30% halten die Therapien durch, mal abgesehen davon, was dann nachher ist. Aber das sind eben Leute mit Schulabschluß... Methadon einzusetzen bei den Leuten, die gute Therapievoraussetzungen hätten, war das der Sinn der Sache?

Auch nach Ihrer Rechnung bleiben 70 Prozent, die ihre Noch -Stabilität nicht riskieren wollen...

Die Alternative darf dann nicht 18 Monate Therapie sein, das will keiner von denen. Da muß man Kompakt-Therapien anbieten, ambulante Therapien wie bei den Alkoholikern, wo es ja auch finanziert wird.

Zwei wissenschaftliche Begleituntersuchungen sind angekündigt. Erstens zu den erschreckend zahlreichen Bremer Drogentoten. Sollte man das schöne Geld nicht lieber in die Lebenden stecken und zum Beispiel ein Haus kaufen für Notübernachtungen?

Wir brauchen mehr Klarheit über Todesursachen und Zusammenhänge. Viele Drogentote waren nämlich gesundheitlich nicht verelendet. Der Stoff ist ungewöhnlich rein, und das ist bei Therapieabbrüchen dann tödlich. Die Ergebnisse sind wichtig für die Prävention.

Für die wissenschaftliche Begleitung der Methadon-Vergabe soll der Bildungssenator Scherf, erklärter Gegner von Methadon-Programmen, die Federführung bekommen...

Nein, der Wissenschaftssenator Scherf. Jetzt streben wir einen Kompromiß an: Das Geld liegt beim Finanzsenator, und der Koordinierungsausschuß aus allen Ressorts perspektivisch übrigens auch Arbeit - legen fest, was alles untersucht werden soll.

Sie schreiben: Spritzenvergabe ist nicht strafbar. Für den Knast ziehen Sie aber keine Konsequenzen. Da nimmt man aus politischen Rücksichten Aidsansteckung und Tote in Kauf.

Ich weiß nicht genau, wo das juristische Problem steckt, wir werden an das Thema rangehen.

Sie wollen, daß sich die Polizei um Dealer kümmert, und wollen die kleinen Konsumenten entkriminalisieren. Aber Legalisierung ist für Sie kein Thema?

Wir diskutieren darüber, ständig. Weil Drogen verboten sind, haben wir eine verschiedene Drogenpolitik der Ressorts Inneres, Soziales, Gesundheit... Die Zahlen beim Alkohol ermutigen nicht gerade zur Freigabe. Aber ich stelle mich der Diskussion, das habe ich auch dem AK Drogen gesagt.

Thema 'Druckraum‘ zum Spritzen, da könnte man doch mal einen Versuch wagen, daß sich die Junkies nicht immer im Dreck und im Dunkeln die Arme zerstechen.

Das ist verboten. Gesundheitlich kann man das debattieren...

Spritzentausch galt vor 3 Jahren, als der AK Drogen die Automaten aufstellte, auch als illegal...

Anders rum: Wenn man den Handel verbietet, aber die Abhängigkeit anerkennt, dann sollte das Spritzen selbst nicht strafbar sein. Dann braucht man keinen Druckraum.

Also Entkriminalisierung der Konsumenten ohne Legalisierung des Handels.

Ja.

Sie sagen, Wohnen und Arbeit sind zentral.

Da sind wir im Drogenhilfeplan noch unterentwickelt. Wir tun uns schwer, Arbeit zu finden für Therapierte. Oder für Abhängige, stundenweise! Wer morgens sein Heroin hatte, ist 6 Stunden einsatzfähig. In Bern gibt es ein Busprojekt, die sammeln die Leute morgens auf und haben von Betrieben Tagesaufträge. Und da ist ein Sozialpädagoge bei... Jetzt ist die Erdbeerzeit: Man könnte in Bassum pflücken und auf dem Markt verkaufen...

Was fehlt Ihnen noch?

Ich will ein Koordinationsgremium schaffen mit den Leitern aller Träger. Nach dem Moto: Wer Geld vom Staat bekommt, soll auch mit ihm am Tisch sitzen, für eine gemeinsame Bremer Drogenhilfe.

Fragen: Susanne Paas

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen