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Berlin - Hauptstadt der Sozialhilfeempfänger?

■ Kostenexplosion bei Vereinigung des Gesundheits- und Sozialwesens: Drei Milliarden Mark fehlen / Hilfe aus Bonn gefragt

Berlin. Die Kosten im Gesundheits- und Sozialbereich werden sich nach der Vereinigung Berlins von drei auf mindestens sechs Milliarden D-Mark erhöhen. Das ist das Ergebnis einer Berechnung der Westberliner Gesundheits- und Sozialverwaltung, vorgestellt gestern von der zuständigen Senatorin Ingrid Stahmer. Nicht einbezogen wurden die Kosten für die laufende ambulante und stationäre Versorgung, die aus Versicherungsbeiträgen bezahlt und zwischen Leistungsanbietern und Kassen abgerechnet werden.

Als Berechnungsgrundlage orientierte sich die Behörde am bestehenden Westberliner Finanzbedarf, darüber hinaus bezog sie zu erwartende Investitionen im Ostteil der Stadt mit ein. Bei „zurückhaltender Schätzung“ lägen diese in den nächsten zehn Jahren bei mindestens 9 Milliarden D-Mark. Die Löwenanteile - für notwendige Neubauten und Sanierungsmaßnahmen - verteilen sich dabei auf das Krankenhauswesen mit 4 Milliarden D-Mark, 3,8 Milliarden D -Mark entfallen auf Seniorenwohn- und -pflegeeinrichtungen. Werden diese Maßnahmen in dem beschriebenen Zeitrahmen umgesetzt, ergäbe sich daraus ein jährlicher Investitionsbedarf von 0,9 Milliarden D-Mark.

Durch den Neuaufbau von Leistungssystemen wie Aids-Hilfen oder Sozialstationen erwartet Stahmer auch bei den „laufenden Kosten“ einen erheblichen Finanzbedarf. Hauptbelastend ist dabei der erforderliche Sozialhilfetopf: Wie der Ostberliner Sozialstadtrat Sparing (CDU) gegenüber der taz erklärte, rechnet er in allernächster Zeit mit rund 30.000 SozialhilfeempfängerInnen allein im Ostteil der Stadt. Für sie hat die Westberliner Behörde in ihren Berechnungen 1,2 Milliarden D-Mark veranschlagt. Das Budget der Westberliner Bezirke für insgesamt 176.000 SozialhilfeempfängerInnen beträgt derzeit 1,8 Milliarden D -Mark.

Unwägbarkeiten im Hinblick auf den Finanzbedarf liegen laut Stahmer einerseits in der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt, andererseits in der Leistungsfähigkeit der neuen Kassenstrukturen: Es erscheine fraglich, ob die Ostberliner Krankenkassen die dortigen Leistungen ab sofort aus Beitragseinnahmen bezahlen könnten.

Damit Berlin nicht selbst Sozialfall, sondern Modellstadt wird, sei nun „Solidarität“ - sprich: Geld - aus Bonn und Finanzhilfe von seiten der DDR-Regierung gefragt. Geht es nach Stahmer, soll die Bonner Berlinförderung nicht nur unbeschnitten bleiben, sondern auf die gesamte DDR ausgedehnt werden. Darüber hinaus wünscht sich die Senatorin eine staatliche Ausgleichszahlung an die AOK Berlin als größte Krankenkasse der Stadt.

Noch immer ist unklar, wieviel Mittel Ost-Berlin überhaupt in Zukunft zur Verfügung stehen. Allein schon deshalb fordert die Senatorin einen zweiten Staatsvertrag, der zu befürchtenden Personalengpässen im sozialen Bereich entgegenwirkt, die bislang eng begrenzte Anschubfinanzierung für Renten und Arbeitslosenversicherung neu festlegt und die Vergabe von Sozialhilfe genauer regelt.

maz

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