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„Absolut keine Toleranzgrenze“

■ Der Jazz-Club 'Lohmeyers‘ hat Ärger mit Akkustik und Anwohnern / Bezirksamt verbietet Konzerte / Nach 70.000 Mark teurer Schallisolierung jetzt Sand in die Schornsteine

Charlottenburg. Nichts nützt gegen den Lärm: Die doppelten Türen nicht, die drei eingezogenen Decken nicht und auch der aufwendig schallisolierte Fußboden nicht. 70.000 Mark haben die Beruhigungsmaßnahmen gekostet, doch drei Nachbarn hören nicht auf, über schlaflose Nächte zu klagen - angeblich verursacht von Instrumenten jazzbegeisterter Musiker der Schankwirtschaft 'Lohmeyers‘. Seit Montag letzter Woche hat der Charlottenburger Wirtschaftsstadtrat Helmut Heinrich (CDU) dem Club an der Ecke Lohmeyers- und Eosanderstraße den Betrieb verboten.

Doch 'Lohmeyers'-Chef Frank-Michael Minow, 36, will nicht glauben, daß weiterhin Schallwellen den Mietern ihren Schlaf rauben. Im dritten Stock höre man nachts ein fahrendes Auto auf der Straße lauter, als die vor 90 Zuhörern mit Klarinetten kämpfenden Musiker, behauptet Minow. Gäste bestätigen, daß der Sound von Saxophonen nicht einmal bis in die Club-Klos dringe.

Einer der Querulanten, Bernd Gaudszun, wohnt im dritten Stock über den angeblich lärmenden Jazz-Kapellen. Am Tage geht der Beamte seiner Arbeit in der Senatsverwaltung für Gesundheit nach, nachts den Schwingungen aus dem Musikschuppen. Manchmal sei es so laut, behauptet Gaudszun, daß er das Fernsehen nicht verstehen könne. Dabei habe er gar nichts gegen Jazz-Musik - nur komme bei ihm oben „kein Jazz“ an. Seitdem Heinrich das Blasen in die Trompeten untersagt hat, kann Gaudszun „endlich wieder schlafen.“

Ralf Rudolph von der Hausverwaltung behauptet über seinen Mieter Gaudszun, er habe „absolut keine Toleranzgrenze“. Lärmmessungen hätten ergeben, daß ein Auto auf der Straße doppelt so laut sei, wie die Klänge aus dem Erdgeschoß. Rudolph vermutet, daß die beschwerdeführenden drei Mieter „das Lokal einfach nicht haben wollen“. Jazz sei für sie „Negermusik“. In einem Beschwerdebrief an das Bezirksamt regt sich einer der Mieter tatsächlich über „lautes vergnügtes Gerede und Rufen in mehreren Sprachen“ auf. Ein anderer fragt, ob „überhaupt eine derartige Musik“ erlaubt werden dürfe. Rudolph will jetzt die Schornsteinschächte mit Sand füllen, um die aufgeschreckten Bürger zu beruhigen. Die Schallisolierungen unterstützte er bisher mit 40.000 Mark

Der Sachbearbeiter für Jazz von der Senats -Kulturverwaltung, Teffke, hat sich bei Heinrich mit einem Brief für den Erhalt des Lohmeyers eingesetzt. Nun lenkt Heinrich ein wenig ein. Zwar ist der Musikbetrieb im Lohmeyers bis dato untersagt, aber am kommenden Montag findet ein Live-Abend statt - nur zur Messung. Die Technische Universität soll erneut horchen und zwei Heinrich -Untergebene der Abhöraktion einen offiziellen Charakter verleihen. Mal abwarten, ob jemand was davon hört.

Dirk Wildt

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