: Grenzen überlesen
■ Französische Jugendliteratur in Bremen / Ein Zwischenbericht
Noch bis zum 12. Juli dauert in der Stadtbibliothek Neustadt eine Ausstellung französischer Kinderbücher an (vgl. taz vom 20.Juni). Dort kam es eine Woche lang zu Begegnungen mit drei der bekanntesten französischen Jugendbuchautoren.
Etwa 40 Klassen, gut 400 Schü
ler- Innen nahmen an diesen Aktionen teil, die meisten, wie es schien, mit einem durchaus lebhaften Interesse, wie es Autoren fremdsprachiger Bücher nicht ohne weiteres entgegengebracht wird.
Da war zunächst Jean-Yves Loude, Ethnologe und Schriftsteller. Nach langjährigen Forschungen ist er ein intimer Kenner der Volksstämme Nordamerikas. Sein zweites Jugendbuch entstand im Verlauf einer aufsehenerregenden Aktion: Eine Sonderschulklasse aus Villeurban, einem sozialen Brennpunkt Lyons, führte mit ihm und anderen eine dreiwöchige Expedition in die Südsahara durch und bestieg dort einen sagenumwobenen Berg von immerhin 2400 Metern Höhe. Gemeinsam mit den SchülerInnen konstruierte er hinterher ein Handlungsgerüst, das die Erlebnisse der Kinder einerseits und die Mythen der Tuareg andererseits miteinander verbindet. Mit Temperament berichtete er den deutschen Schulklassen darüber; und viele Fragen bestürmten ihn, der Sprachschwelle zum Trotz.
Eine ganz andere Art der Kinderliteratur stellte danach Yak Rivais vor. Der Grundschullehrer, Maler und Schriftsteller beschäftigt sich mit Protagonisten, denen er,
zur Handhabe ihrer Probleme, magische Fähigkeiten verleiht. Sie gehen durch Wände, treten Mauern ein, laufen auf dem Wasser und wischen unliebsame Personen mit dem Schwamm weg. Beneidenswerte Talente, gerade letzteres.
Schließlich kam Paul Thies zu Wort. Der gelernte Politologe schreibt Abenteuerromane. Mit den Konventionen des Genres lockt er die Leserschaft, ist einer der am meisten gelesenen Jugendbuchautoren Frankreichs geworden und hat, ohne daß man es merkt, doch auch ganz anderes im Sinn: Seine Figuren tragen kollektive Konflikte aus, vor allem solche der Dritten Welt. Thies zog sein Publikum in ein angeregtes Gespräch, in dessen Verlauf die SchülerInnen zu ihrer sichtlichen Überraschung feststellen konnten, daß sie besser sprachen und verstanden als im Unterricht. Ein durchaus erwünschter Nebeneffekt. Christel Fleddermann-von Fisenn
Die Bücher der Ausstellung wurden von der Stadtbibliothek angekauft und können entliehen werden.Führungen durch die Ausstellung bietet das Institut Francais bis zum 12. Juli an. Anmeldung unter Tel. 357514.
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