Kurzer Asylprozeß?

■ Heute will Hauptausschuß über Gelder für neue Asylbehörde entscheiden / amnesty international hat Bedenken gegen Zentralisierung der Behörden

West-Berlin. Warteschlangen ab zwei Uhr morgens, überfüllte und baufällige Behördenzimmer, völlig verunsicherte Flüchtlinge und entnervte SachbearbeiterInnen - seit Monaten das gleiche Bild vor der Ausländerbehörde am Weddinger Friedrich-Krause-Ufer (siehe Kasten). Über 15.000 Menschen vor allem aus Rumänien und Vietnam haben seit Januar in West -Berlin Asyl beantragt. Bis zu drei Monaten müssen sie warten, um zum eigentlichen Verfahren überhaupt in eines der Bundesländer verteilt zu werden.

Um - so wörtlich - „menschenwürdige Abfertigungskapazitäten“ zu schaffen, sollen die Ausländerbehörde, die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber und die Berliner Außenstelle des Bundesamtes für die Anerkennung von politische Verfolgten nach Vorschlag der SPD zusammen auf ein Gelände an der Lehrter Straße umgesiedelt werden. Kostenpunkt: jährlich rund 1,5 Millionen Mark Miete plus Nebenkosten. Über die für den Umbau notwendigen Finanzmittel soll heute der Hauptausschuß entscheiden.

Flüchtlingsorganisationen und auch amnesty international (ai) zeigen sich dagegen alarmiert: Wenn Ausländerbehörde und Nebenstelle des Bundesamtes zusammengelegt werden, befürchtet ai statt eines schnelleren Verfahrens „kurzen Prozeß zu Lasten der Asylsuchenden“. Im Bundesgebiet wird dies bereits praktiziert: In sogenannten Zentralen Anlaufstellen für Asylbewerber (ZAST) müssen Flüchtlinge ihren Asylantrag stellen, werden angehört, um dann kurz darauf ihre zweite Anhörung ein paar Türen weiter beim Bundesamt zu durchlaufen. „Rechtliches Gehör“, so Monika Kadur von ai, „ist da nicht mehr gewährleistet.“ Auch können sich die Flüchtlinge in diesem Zeitrafferverfahren kaum noch auf die Befragungen vorbereiten. Zumindest die AL will heute im Hauptausschuß darauf pochen, daß das Bundesamt nicht in die Lehrter Straße einzieht. Kritik am SPD-Vorschlag kam auch vom Tiergartener Bezirksamt und von der Sa nierungsgesellschaft S.T.E.R.N. allerdings aus ganz anderen Grün den.

Eigentlich sollte auf dem Gelände an der Lehrter Straße ein Gewerbehof entstehen. Die Wiederbelebung der Lehrter Straße zu einem „stabilen innerstädtischen Wohn- und Arbeitsgebiet“ wünschen sich Tiergartens Bürgermeister Naujokat (SPD) und S.T.E.R.N.-Chef Hämer - und da passen Flüchtlinge nicht ins Konzept. Die Lebensqualität in der Lehrter Straße sei durch den Ausbau des Containerbahnhofs, den regen LKW-Verkehr und die „Lagerung von staubenden Baustoffen“ ohnehin schon beeinträchtigt. Jetzt noch die Asylbehörde - das halten Hämer und Naujokat für „nicht akzeptabel“.

Sauer auf die Pläne der beiden SPD-Politiker reagiert auch die Bürgerinitiative Lehrter Straße. Eine neue Version der alten Ausländerbehörde wieder in einem Industriegebiet sei nun wahrlich keine Verbesserung.

anb