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Sprengstoff entsorgt

■ Die „illegalen Abhörprotokolle“ der Stasi über geheime Vorgänge in der Bundesrepublik wandern in den Reißwolf

Aus Berlin Wolfgang Gast

Wer geglaubt hatte, über die Akten des früheren Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) ließe sich Licht auch in das Dunkel bundesdeutscher Skandalgeschichten bringen, hat sich geirrt. Die „illegalen Abhörunterlagen“ des MfS, so beschlossen es die Innenminister der Bundesländer, sind unverzüglich zu vernichten.

Nach der Auflösung des MfS, erklärte Baden-Württembergs Innenminister Dietmar Schlee (CDU), sei ein Teil der Abhörunterlagen in den Besitz der bundesdeutschen Verfassungsschutzbehörden gelangt. Angestrandet seien Dossiers über Bundesbürger - überwiegend aber Unterlagen über „Abhöraufträge gegen Personen aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung“. Einig sei man sich gewesen, sagte Schlee als Vorsitzender der Konferenz, „daß die Sicherheitsbehörden sich nicht mit Material befassen sollten, das auf schmutzige und schäbige Weise zustande gekommen ist und lediglich zur Destabilisierung unserer Gesellschaft beitragen sollte“. Der Beschluß der Innenminister gilt auch für Unterlagen, die künftig in die Hände des Verfassungsschutzes gelangen könnten.

Dem Reißwolf zugeführt werden damit beispielsweise die Unterlagen des MfS um das illegale U-Boot-Geschäft mit Südafrika. In ihrer monströsen Sammelwut hatten Stasi -Mitarbeiter von drei Schiffen in der Lübecker Bucht aus extensiv den Telefonverkehr der Kieler Landesregierung und der Howaldtwerke-Deutsche Werft AG (HDW) abgehört. Aber noch so manch anderes wird im 100 Kilometer langen Aktennachlaß der unheimlichen Spitzelbehörde vermutet. Neben den zwei Millionen Personen-Dossiers, die das MfS über Bundesbürger angelegt hat, müßten sich in den Unterlagen auch Listen der Verfassungsschutzmitarbeiter und der Objekte der westlichen Geheimdienste in der BRD befinden. Dazu Berichte über die Bonner Politikspitze, über Interna aus den Vorstandsetagen der Wirtschaft und sogar über Aktionen der Verfassungsschützer. 80 Prozent aller Telefonate, die über Richtfunkstrecken geführt wurden, sind nach Schätzungen von West-Experten von der Stasi ausgewertet worden. Jede Menge Sprengstoff.

Berlins Innensenator Erich Pätzold (SPD) wollte als einziger die Entscheidung um die Vernichtung dieser Stasi -Unterlagen nicht mittragen. Er begründete seine Haltung mit der besonderen Lage Berlins und damit, daß in den Parlamentsausschüssen der Stadt eine andere Position vertreten werde. „Die besondere Lage“, stellt sich bei hartnäckigem Nachfragen in der Verwaltung heraus, hat mit den alliierten Schutzmächten zu tun. Der Senat, heißt es, könne „nicht autonom“ handeln. In der Vergangenheit hat dies regelmäßig bedeutet, daß die Alliierten in der Geheimdienst -Hochburg Berlin von ihrem Vetorecht Gebrauch machten.

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