: Eine große Vereinsmeierei
■ Vereinstreffen in der KKB-Bank / Milchgesicht Jauch mühte sich um Spaß
Schöneberg. „In der Nacht ist der Mensch nicht gern alleine“ ist eine alte Volksweisheit, aber nur die halbe Wahrheit. Er ist überhaupt nie gern alleine. Vor allem der Deutsche scheint eine panische Angst davor zu haben, über Gebühr nur sich selbst ertragen zu müssen. Deswegen schließt er sich in Vereinen zusammen.60 Prozent aller Bundesbürger über 14 Jahre gehören einem solchen an. Die Berliner Vereine trafen sich am Donnerstag zur Eröffnung der „Zweiten Brauchtumsbörse“. Dahinter verbirgt sich eine Selbstdarstellungsshow aller Berliner Vereine. Die Filialen der Kunden-Kredit-Bank (KKB) stellten ihre Räume zur Verfügung und die Gruppen ihre ganz speziellen Neigungen und Interessen in Glasvitrinen aus.
Die Teilnehmermenge läßt vermuten, das es nichts mehr gibt, was nicht schon vereinsmäßig abgedeckt wäre. Der „Tegeler Schützenverein 1905“, die „Gropiusstädter Sonntagsmaler“, der „Windhund-Zucht- und Rennverein“, verschiedene Karnevalsgesellschaften, die ganze Palette der Sportvereine, die „Berliner Fahnenschwinger“, der „Reitverein Berlin“ und die verschiedenen Berliner Ableger der einschlägig bekannten Landsmannschaften und viele, viele andere mehr waren gekommen.
Daß das Vereinsleben eine meist muffige Angelegenheit ist, wurde bei der Eröffnungsfeier sichtbar. Bei Wein, Bier und Vereinsprogrammen auf der Bühne fühlte man sich wohl. Die KKB-Bank ließ sich ihre Imagepflege einiges kosten und flog das Milchgesicht unter den grauköpfigen Zumutungen bundesdeutscher TV-Moderatoren, Günter Jauch, ein. Der mühte sich, den Vereinsmeiern Spaß zu machen und die Bank im kundenfreundlichen Lichte erscheinen zu lassen.
Nicht, daß RTL-plus weniger zahle, als allgemein behauptet oder er bei der KKB hochverschuldet wäre, sei der Grund für seine Tingelei, sondern die Lust, außerhalb weltfremder Fernsehmacher „auch mal ein paar ganz normale Menschen zu treffen“.
Ob dazu auch Berlins bekanntester Durchfaller Eberhard Diepgen gehört, bleibt dahingestellt. Er ließ sich jedenfalls fünf Minuten sehen und übte Wahlkampf. Ausgerechnet er, der für Polen und Rumänen am liebsten die Mauer wieder aufbauen würde, argumentierte für Berlin als Hauptstadt, mit deren Funktion als Bindeglied nach Osteuropa. Danach verkündete er noch, wer der nächste Regierende Bürgermeister von Berlin wird und verschwand wieder. Die Vereinsfreunde trugen's mit Fassung - danach sollte sowieso das kalte Büfett beginnen.
top
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen