: Landgang mit Chutney
■ Der 26. Bremer „Kapitänstag“: Herren aller Länder unter sich
Es riecht nach Rauch und Russisch Leder und, in einem viel höheren Sinne, nach Salzluft. Mannsbilder stehen umeinander, traubenweise, und viele Kapitäne sind darunter, zur See wie zur Luft. Ich kenne jeden einzelnen heraus, wir sind aus einem Holz. Schon wie sie stehen, Kopf hoch, begradigte, schlanke Gestalten. Kein Sport auf der Welt verschafft dem Menschen so ein Ebenmaß wie das Auf- und Abtragen von Verantwortung an Deck.
Freitag mittags im Rathaus:
zum 26. Bremer „Kapitänstag“, Mittagsmahl inbegriffen, empfängt Konrad Kunick, der Senator für Häfen, Wirtschaft und Verkehr, allerlei Führungspersonal dieser Branchen sowie alle derzeit hierorts weilenden Kapitäne. Überall hängen Tischordnungen aus, und die eingetragenen Namen - aber das macht mir keiner weis, daß die alle echt sind. Oder heißen Kapitäne wirklich Lu Pie
Ya und Novara, Leemreijze und Faulian? Oder, wunderbar, Pacifico. Kapitän Pacifico!
Durch die plaudernde Männer-Menge scharwenzeln Bedienstete mit Quadratmeter-Tabletts und sittsam kostümierte Mädel, welche Drinks, multiple choice, feilhalten. Zwei Kapitäne stehen, es ist nicht wahr, an einer großen blauen Plastikwanne und erklären fürs Fernsehen anhand eines Mo
dellfrachters, wie man richtig staut, so daß nichts verrutscht, und machen, mit drei Wackersteinen, schnellschnell den Frachter toplastig und blups ist es abgesoffen, das Schiff, und beide alten Herren strahlen in die Kamera. Das ist es, sagt der eine, immer zusehen, daß nur ja „die Seetüchtigkeit erhalten bleibt“, sodann schluckt er wieder vom Sektglas und hat schon eine rote Nase. Das aber ist eine Frage der Landgangstüchtigkeit.
Nebenan im Festsaal sind die Tafeln schon gedeckt, und eine beträchtliche Mannschaft von Bierflaschen hat auf den Tischen Aufstellung genommen. Es wird kalte Gazpacho geben und Fischcurry, dazu Mangochutney und Lychees und was Kapitäne sonst noch so essen zwischen Rio und Shanghai. Und Kunick wird eine Rede halten, die schon überall schriftlich ausliegt, und sagen, daß der Hafen ausgebaut wird. Und die Kapitäne werden nicken und Gazpacho schlürfen und einander bekannt machen mit weltlichen Führungskräften aus der Wirtschaft.
Das hätte aus mir werden können, wäre ich nur konsequent geblieben von Kindesbeinen an. Stattdessen befehlige ich, als Lohnschreiber, ein paar Dutzend Tastaturknöpfe. Und muß schon wieder weg, noch bevor das Blancke-Trio aufspielen wird, mit Gitarren und Akkordeon. Eine Bühne ist aufgebaut mit Notenständern, auf denen liegt aufgeschlagen, ich schwöre es, das herzwürgend schöne Lied vom Klaus Groth: „Ik wull, wi weern noch kleen, Jehann. Dor weer de Welt so groot!“ scha
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