: Sri Lankas Militär will freie Schußlinie
■ Für den Vernichtungsschlag gegen die LTTE plant der Verteidigungsminister die Evakuierung von knapp einer Million Tamilen / Neues Massaker der LTTE an Moslem-Zivilisten / Militär ist gerüstet
Colombo (afp/taz) - Nach zwei Monaten blutiger Auseinandersetzungen zwischen der tamilischen Separatistenorganisation „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ (LTTE) und der srilankischen Armee plant die Regierung jetzt offenbar den entscheidenden Vernichtungsschlag gegen die LTTE. Der stellvertretende Verteidigungsminister Ranjan Wijeratne teilte dem Parlament am Freitag mit, daß die gesamte Zivilbevölkerung der nördlichen Halbinsel Jaffna aus der Hochburg der Tamilen evakuiert werden soll. Wijeratne warf der LTTE vor, sie verstecke sich in den „Küchen der Zivilbevölkerung“ und benutze die Zivilisten als „menschliche Schutzschilde“.
Wie zur Bestätigung überfielen am Samstag LTTE-Kämpfer erneut drei moslemische Dörfer in der Region von Eravur im Osten der Insel und töteten über hundert Menschen. Der Moslem-Kongreß von Sri Lanka (SLMC) sprach sogar von 150 Toten und 200 Verletzten. Damit sind innerhalb von acht Tagen über fünfhundert Zivilisten im Bürgerkrieg ums Leben gekommen. Bei einem ähnlichen Massaker waren vergangene Woche über hundert Moslems in einer Moschee getötet worden. Seit dem Wiederaufflammen der Kämpfe am 11. Juni starben fast 3.000 Menschen.
Die Regierung befürchtet inzwischen Racheakte der Moslems oder Singhalesen gegen die Tamilen. Bereits im Jahr 1983 eskalierten solche Feindseligkeiten zwischen den Bevölkerungsgruppen in brutalen Gewalttätigkeiten in der Hauptstadt Colombo. Die Moslems machen etwa eine Million der 16 Millionen Einwohner Sri Lankas aus, zwölf Millionen sind buddhistische Singhalesen, und drei Millionen sind Tamilen hinduistischen Glaubens.
Um den Bürgerkrieg mit den „Befreiungstigern“ zu beenden, hat Verteidigungsminister Ranjan Wijeratne nun seinen Plan vorgelegt, der zur „Vernichtung“ der LTTE führen soll. Die Regierung verfüge über Mittel und Wege, mit diesen „Kriminellen“ fertig zu werden: „Aber wir wollen keine zivilen Opfer.“ Daher sollen 800.000 Zivilisten nach Vavuniya, 142 Kilometer südlich von Jaffna, in ein Lager gebracht werden. Sobald die LTTE „eliminiert“ sei, dürften die Menschen an ihre Wohnorte zurückkehren.
Der Minister machte keine Angaben über den Zeitpunkt. Er teilte lediglich mit, Präsident Ranasinghe Premadasa werde in Kürze über die Evakuierung entscheiden. Dann könnten die LTTE-Kämpfer wählen, ob sie den Kugeln der Sicherheitskräfte entgegentreten oder über die Meerenge der Palkstraße „zu ihrem Busenfreund“ nach Tamil Nadu schwimmen wollten. Die Regierung in Colombo behauptet, der Regierungschef dieses südindischen Unionsstaates unterstütze die tamilischen Separatisten.
Wijeratne dementierte Berichte, wonach die Armee in ihrem Vormarsch gegen die etwa 15.000 LTTE-Guerillas durch Munitionsmangel aufgehalten worden sei. Material und Männer stünden ausreichend zur Verfügung. Die Regierung habe außerdem im Ausland Munitions-Nachschub bestellt. Zu den Hauptlieferanten zählen China und Pakistan. Der Chef der Luftwaffe soll zudem nach Angaben des 'Far Eastern Review‘ im Juni Truppentransporter, Hubschrauber und Haubitzen im Irak geordert haben. Schnellboote würden aus Israel angefordert. Das Parlament hat Militärausgaben in Höhe von 62 Millionen US-Dollar genehmigt.
sl
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen