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„Mir san Profis“

■ Eine heiße Wiener Samstagtanznacht mit Al Cook im BKA

Den ganzen August über versucht das BKA, Berlin mit etwas zu beglücken, das es bis jetzt noch nicht kennt: dreizehn „Hot Sommer Dance Nights„; also Tische, Luftballons, Tanzbands, deren Sets um einiges länger - bis zu vier Stunden - sind als die normaler Auftritte und, wenn's klappt, viele tanzwütige Zuschauer und viele Liebesgeschichten „allein, zu zweit, zu dritt, jeder mit jedem und jede mit allen... erlaubt ist jedes Durcheinander... alles, was Sie sehen, können Sie anfassen“. Manchem mag das zwar als plumpe Aufforderung zur plumpen Anmache vorkommen, doch erstens ist es ja nicht unbedingt plump und blöde, wenn zwei Menschen sich finden für kurz oder länger, zweitens soll erst einmal getanzt werden (am besten eng), drittens ist es doch ungeheuer nett, all das zu berühren, was man immer schon anfassen wollte, und viertens faßt du doch auch deinen Teddy überall an.

„Have you heard the news / Al will sing the blues.“

Freitag, Samstag, Sonntag nun spielte „das Bonbon“ Al Cook (45), in den Arbeitervierteln Wiens aufgewachsen, auf speziellen Wunsch des Veranstalters - Pit Mischke -, der ihn an ein paar Abenden in Wien kennen und lieben lernte. Al Cook, das ist ein kleiner Dicker im paillettierten Anzug, ein Rockabilly-Vater, der mit seinen begeisterten Söhnen hoffentlich noch einmal, im Herbst, Party machen wird, ein Elvis-Verehrer, dessen geliebte Gitarre immer etwas zu groß aussieht, ein Österreicher, der als Österreicher nun gar nichts dafür kann, daß man ihn mit dem Polizeipräsidenten aus Kottan assoziiert, ein Blues-Botschafter aus Leidenschaft, der seinen Auftritt durch gemütlich dialektgefärbte Erzählungen zerhackt, als wären seine Stücke nur Museumsbeispiele, Zitate einer längst vergangenen Zeit (das sind sie nicht). Al Cook, das ist die klassische Boogie -Woogie- oder Rock'n'Roll- oder Rhythm'n'Blues-Combo - Baß, Gitarre, Piano und Drums -, und die Jungs, mit denen er seit fünf Jahren zusammenspielt, grinsen sehr angenehm jungenhaft.

Seine Musik sei „bluesorientiert“, sagt Al Cook - wozu? -, und dies Stück sei 1947 zum ersten Mal von einem Schwarzen aufgenommen worden, und jetzt kommt ein Stück, „wo wir beweisen, daß Rock'n'Roll sich aus Blues-Rhythmen entwickelt hat“, und „eines der wichtigsten Instrumente, die es im Rock'n'Roll gibt, ist das Piano“, und nicht nur die Schwarzen waren ganz arm dran, sondern auch ein paar Weiße, wie Carl Perkins, „ein armer, armer Weißer“, und deshalb „spiele ich jetzt ein Stück von ihm“. Und die Leute sollten doch tanzen, „daß eine intensivere Atmosphäre hier losgeht“. Doch es tanzt kaum jemand, weil, so sieht es Veranstalter Mischke, das erste Paar zu professionell getanzt hat, weil vielleicht auch niemand als Fußnote zu den Zitaten tanzen möchte. Gestern wäre es besser gewesen, weil da die Leute vom Living Theatre Stimmung gemacht hätten, aber Al Cook ist da „ein harter Knochen“, und: „Mir san Profis!“

Auf den Tischchen stehen Kerzen und Salzgebäck; melancholische Blicke irren durch die wäßrige Luft. Bunte Luftballons legen sich schlafen. Al Cook wischt sich immer wieder den Schweiß von der Stirn. „He's the loneliest man in town.“ Blues ist „schwarze Musik aus den Negervierteln von Memphis“. „Jetzt spiele ich eine Eigenkomposition“, und das ist sehr herzzerreißend.

Aus Achtung und Verehrung, mit Rücksicht auf das Publikum, weil er meint, sie würden eher tanzen, wenn sie hörten, was sie schon kennen, spielt er fast nur Coverversionen. In Liebe, als großer Handwerker greift er in die Saiten - wie B.B. King, wie Robert Johnson - vor Leuten, die schließlich doch tanzen, wie sie es in der Tanzstunde gelernt hatten oder wie sie sich ausdenken, daß man tanzen müßte, linkisch werdend, wenn sie merken, daß es anders sein müßte - und nicht wissen, wie's richtig geht. Das ist alles auch schwierig, weil man nicht allein tanzen kann, weil irgendwann das Fernsehen kommt und mit seinen Lampen und Kameras alles scheußlich künstlich macht, wie das Fernsehen eben überall, wo es auftaucht, alles ekelhaft und künstlich macht und zum Glück immer nur kurz kommt und gleich wieder verschwindet und viel Geld für kriegt. Fernsehen, go home!!

Die, die da sind, sind Schüler, die Lehrer sind noch in den Ferien. Zum schüchternen Lehrer, doch „mir san Profis“ (immer wieder) wird Al Cook, dem es eigentlich nur innerstes Bedürfnis ist, zu erzählen von der Musik, die er macht, und diese Musik zu machen; zum ersten Mal in seiner 25jährigen „Karrier“ in Berlin, und in Wien sind „die Leut“ nicht so distanziert. Und vor allem ist das ein Echter, wie man sich zuflüstert an der Theke. Ein Guter. Und „in der Pause haben Sie Gelegenheit, meine Platten zu kaufen“.

Detlef Kuhlbrodt

Die nächste „Hot Summer Dance Night“ ist am 16.8. im BKA.

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