: Langer Lulatsch lacht wieder
■ Aufwärtstrend mit Schwächen beim Laufen resümiert der DLV-Präsident nach den Deutschen Meisterschaften / Hochspringer Mögenburg froh
Düsseldorf (taz) - So gut gelaunt sah man Dietmar Mögenburg schon lange nicht mehr. 2,33 Meter hatte er im dritten Versuch übersprungen und den Hochsprungtitel vor dem jungen Aufsteiger und Hallenmeister Ralf Sonn (2,31) gewonnen. Da schmeckte das Bier und die lange vermißte Redseligkeit des 2,01 Meter langen Leverkuseners, der sein Geld beim TV Wattenscheid verdient, kehrte zurück.
„Ich kann in diesem Jahr 2,38 bis 2,40 Meter hoch springen“, gab er sich erstaunlich unbescheiden. Denn solche Höhen hat er im Freien noch nie erklommen. Auf 2,36 Meter steht sein Hausrekord aus dem Jahr seines Olympiasieges 1984. Mögenburg, der am Mittwoch beim Züricher „Meeting der Weltklasse“ 29 Jahre alt wird, hat, nachdem er wieder mit seinem alten Trainer Dragan Tancic zusammenarbeitet, erneut der Ehrgeiz gepackt. „Ich bin technisch wieder sicherer. Da macht es wieder Spaß, zu kämpfen.“
So überstand er bei 2,29 Meter einen Wadenkrampf, ließ dannach kaltschnäuzig 2,31 aus, die Ralf Sonn im dritten Versuch schaffte, um schließlich doch noch das Duell für sich zu entscheiden. „Gute Nerven sind wichtig“, ist Mögenburgs Devise und damit ist er bekanntlich bestens ausgestattet.
Doch die Qualität des Hochsprungwettbewerbs färbte auch am Schlußtag der Leichtathletikmeisterschaft im viel zu großen Düsseldorfer Rheinstadion nur auf wenige Athleten ab. Bei den Männern auf den zuverlässigen Hammerwerfer Heinz Weis (79,78 Meter) und den Berliner 400-Meter-Hürdenläufer Carsten Köhrbrück (48,89 Sekunden). Bei den Frauen dominierte wie immer die Kugelstoßerin Claudia Losch (20,30 Meter), die den „Rudolf-Harbig-Preis“ der „verdientesten und vorbildhaften Athletin“ erhielt. Zudem die stark verbesserte Dortmunderin Silke Knoll, die über 200 Meter mit 20,48 Sekunden bei 0,5 Meter Gegenwind den Uraltrekord von Annegret Richter (22,39) von 1976 nur knapp verfehlte sowie die ostfriesische Hoffnung auf der langen Hürdenstrecke, die Juniorin Silvia Rieger in beachtlichen 55,18 Sekunden (siehe Press-Schlag).
Allein die Steigerung von 56,33 im vergangenen Jahr auf 55,18 Sekunden mit der Aussicht, bald die 55er-Grenze zu packen - der Rekord von Gudrun Abt steht bei 54,04 - paßt wegen des Erwartungsdrucks nicht ins Konzept. Insgesamt bilanzierte der Präsident des Deutschen Leichtathletik -Verbandes (DLV), Helmut Meyer, nach Düsseldorf einen Aufwärtstrend, wobei er allerdings „kolossale Schwächen auf den Laufstrecken“ einräumte - mit Ausnahme der 400-Meter -Distanzen. Ein international wenig bedeutender DLV-Rekord im Gehen der Frauen und elf Jahresbestleistungen unterschiedlicher Qualität waren ihm sichtbar zu wenig. „Ich hoffe auf eine Steigerung in Split“, sagte Meyer, der bei der Nominierung des EM-Teams Großzügigkeit durchblicken ließ.
Größere Sorgen bereitet dem DLV-Mann augenblicklich die Vereinigung mit dem DDR-Verband, deren Vertreter in Düsseldorf dem DLV eine Prioritätenliste von 48 Trainern vorgelegt haben, die sie, aus insgesamt 580 (!) ausgewählt, weiterbeschäftigt sehen wollen. Meyer ist da illusionslos: „Der Sport lebt bei uns von der Hand in den Mund.“ Will heißen, daß zu den momentan 14 DLV-Bundestrainern kaum jemand dazukommen wird, weil das Bundesinnenministerium als Geldgeber nicht mitspielen wird.
Auch wenn, wie DDR-Präsidiumsmitglied Eberhard Bock noch so nachdrücklich betont, „möglichst viel DDR-Wissen erhalten bleiben sollte“, wird der für Donnerstag in Berlin anberaumte Verhandlungstermin die Trainerfrage, die für die Betroffenen ein existentielles Problem ist, sicherlich zu keinem positiven Ergebis führen.
Karl-Wilhelm Götte
Die MeisterInnen 1990: MÄNNER: 100 m: Peter Klein 10,47 Sek.; 200 m: Peter Klein 20,79 Sek.; 400 m: Norbert Dobeleit 45,22 Sek. (DLV-Jahresbestleistung); 800 m: Jussi Udelhoven 1:49,92 Min.; 1.500 m: Eckhardt Rüter 3:40,34 Min.; 5.000 m: Steffen Brand 14:19,57 Min.; 10.000 m: Kurt Stenzel 28:59,92 Min.; 4 x 100 m: TV Wattenscheid I 39,62 Sek. (Schulte, Schweisfurth, Dobeleit, Zaske); 4 x 400 m: AS Köln 3:06,31 Min. (Schuster, Weigeldt, Adam, Schlepütz); 20 km Gehen: Robert Ihly 1:25:19 Std.; 20 km Gehen/Mannschaft: Berliner SV 1892 I 4:31:34 Std. (Scholz, Hühmer, Winler); 110 m Hürden: Florian Schwarthoff 13,45 Sek.; 400 m Hürden: Carsten Köhrbrück 48,89 Sek.; 3.000 m Hindernis: Michael Heist 8:34,78 Min.; Hochsprung: Dietmar Mögenburg 2,33 m (DLV-Jahresbestleistung); Stabhochsprung: Bernhard Zintl 5,50 m; Weitsprung: Dietmar Haaf 7,90 m; Dreisprung: Ralf Jaros 16,97 m; Kugelstoßen: Kalman Konya 20,13 m; Diskuswerfen: Wolfgang Schmidt 66,12 m; Hammerwerfen: Heinz Weis 79,78 m; Speerwerfen: Peter Blank 82,82 m.
FRAUEN: 100 m: Ulrike Sarvari 11,32 Sek. (DLV -Jahresbestleistung); 200 m: Silke Knoll 22,48 Sek. (DLV -Jahresbestzeit); 400 m: Karin Janke 50,64 Sek. (DLV -Jahresbestleistung); 800 m: Gabi Lesch 2:00,45 Min.; 1.500 m: Vera Michallek 4:17,74 Min.; 3.000 m: Claudia Metzner 9:17,78 Min.; 10.000 m: Kerstin Preßler 32:27,51 Min.; 5.000 m Bahngehen: Andrea Brückmann 21:55,31 Min. (Deutscher Rekord); 4 x 100 m: VfL Wolfsburg 44,70 Sek. (Leinemann, Janke, Hagen, Rohmann) (DLV-Jahresbestleistung); 4 x 400 m: LG Olympia Dortmund 3:34,78 Min. (DLV-Jahresbestleistung) (Stratmann, Scheppan, Arendt, Knoll); 100 m Hürden: Gabi Lippe 12,82 Sek. (DLV-Jahresbestleistung); 400 m Hürden: Silvia Rieger 55,18 Sek. (DLV-Jahresbestleistt) Hochsprung: Heike Henkel 1,98 m (DLV-Jahresbestleistung); Weitsprung: Katrin Bartschat 6,45 m; Kugelstoßen: Claudia Losch 20,30 m, Diskuswerfen: Ursula Kreutel 63,96 m; Speerwerfen: Brigitte Graune 63,58 m (DLV-Jahresbestleistung).
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