piwik no script img

Geniales Konzept auf Kosten der Betroffenen

■ Betr.: „Ideologische Augenbinden“ von Hucky Heck

Je mehr Ausländer, desto mehr Ausländerfeindlichkeit. Also kann man die Ausländerfeindlichkeit beseitigen, indem man die Ausländer beseitigt. Ein geniales Konzept, das leider vollständig auf Kosten der Betroffenen geht, die einfach zurückgeschickt würden in Länder, in denen es so unerträglich für sie ist, daß sie sogar die katastrophalen Lebensbedingungen eines Asylbewerbers in der BRD vorziehen. Zudem ist die Gleichung 10% Ausländer 10% für Republikaner falsch. Die Ausländerquote etwa in der Schweiz ist wesentlich höher als in der BRD, die Ausländerzahl in der BRD stieg früher (als die Wirtschaft 'Gastarbeiter‘ brauchte) viel schneller als jetzt.

Ein weiteres geniales Konzept: Wir halten die Reps aus den Parlamenten heraus, indem wir selbst ihre Politik machen! Dies ist in der Tat leichter, als der Gefahr von Ausländerfeindlichkeit durch Sozial- und Arbeitsmarktpolitik zu begegnen.

Hucky schlägt eine Lösung vor: Zunächst müsse man die unpopulären Forderungen zurückstellen, um die Regierung zu erobern, die dann eine andere Wirtschaftspolitik zugunsten der 3.Welt betreibt. Mein Gott, Hucky, wie kommt es, daß zwei Jahre am Schreibtisch des Ortsamtsleiters dich 30 Jahre Erfahrung mit sozialdemokratischer Verlogenheit vergessen lassen? Wird die neue Regierung nicht sofort das Argument bringen, nun könne man keine unpopuläre Politik machen, weil man dann die mit Mühe eroberte Regierungsmacht wieder verliert?

Wir können die Hungernden der Welt nicht nach Deutschland holen, die Verhältnisse in den Herkunftsländern müssen sich ändern, 'was wir benötigen, ist eine neue politische Moral‘ in der Aussenpolitik, heißt es weiter. Ist das hilflose Proklamieren einer neuen Moral nicht die uralte Scheinheiligkeit?

Deutsche Politik gegenüber den Herkunftsländern der Flüchtlinge wird sich in Zukunft ebensowenig ändern, wie sie es in den vergangenen 20 Jahren tat, wenn wir nicht vor Ort durch Flüchtlinge (manchmal schmerzhaft) darauf gestoßen werden, daß 2/3 der Welt im Elend leben. Deshalb: nach dem Fall von Stacheldraht und Beton keine neuen Mauern nun auf unserer Seite.

Paul Tiefenbach, Bürgerschaftsabgeordneter der GRÜNEN

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen