Schwachsinnige Dauerflucht

■ Im Europa: „Ein Vogel auf dem Drahtseil“

Es ist schon ein Dilemma mit dem amerikanischen Unterhaltungskino. Da freut man sich auf routinierte Hardcore-Technik, auf die großen Crashs und die wohltemperierten Bettszenen, und stets muß zuvor eine halbstündige, gnadenlos vollgequasselte Exposition ertragen werden. Wer ist wer, das würde man schon gerne wissen. Auch beim „Vogel auf dem Drahtseil“ kommen innerhalb der ersten undurchsichtigen Minuten wohl zwei Dutzend redselige Figuren in den Verdacht, die Hauptperson des Films zu sein. Erst nach dem Vorgeplänkel legt der Streifen los wie die Feuerwehr mit des US-Kinos liebstem Thema: der Verfolgungsjagd. Zwar wurde die Vorge

schichte bemüht mit kritischen Ansätzen gespickt (verratene Kronzeugen, korrupte Sicherheitsbeamte, manipulierte Datenbänke). Doch die aufwendig konstruierte Story wird schnell ad absurdum geführt, wenn erst einmal die Reifen quietschen.

Mit leichten Sprüchen und liebenswertem Slapstick würzen Mel Gibson und Goldie Hawn in den Hauptrollen die schwachsinnige Dauerflucht. Bemühte Situationskomik („Nimm dein Gesicht von meinem Gaspedal“) gibt sich mit opulenten Tankstellenbränden die Hand. Ähnlich wie zuvor in der Astra-Bier-Werbung, wo der Bonze mit seinem Royce anhält, um dem Bauern den Mähdrescher zu reparieren, wird auch

hier'im Hauptfilm, der Traum von der Versöhnung zwischen oben und unten geträumt. Der schmierige Underdog, Ex-Dealer und von allen Gejagte, trifft die superreiche Karrierefrau. Mel Gibson kommt als Mischung aus Sunny Crockett und Schimanski daher. Der kernige Einzelgänger läßt die öligen Muskeln spielen und zieht mit der schwerreichen Anwältin von dannen. Zum Schluß - nachdem die Verfolger gleichzeitig erschossen, in Starkstrom gestoßen und von Tigern zerfleischt wurden - nach diesem Showdown verspricht sich das gegensätzliche Paar endlich die Heirat. Etwas Ironie wäre nicht übel gewesen. Sven Garbad