: Die Bayern auf Schneehasenjagd
■ Bayern München - 1. FC Kaiserslautern 4:0 / Thomas Strunz war der Dreh- und Angelpunkt Eine Wallfahrt zum Königssee soll bereits jetzt die Meisterschaft sichern
Aus München W. Steigemann
Hoffentlich hält sich der Manager von Bayern München, Uli Hoeneß, an sein Versprechen, in St. Bartholomä am Königssee dem gleichnamigen Heiligen ein paar Kerzen zu stiften. Diesen altbayrischen Opferbrauch will er nämlich vollbringen, damit der jetzige Zustand der Leistungsstärke der Bayern in den nächsten Wochen anhält. Die bayrischen Heiligen sind aber eitle Patrone, sie reagieren verärgert, sollte er die öffentlich angekündigte Verpflichtung eines Ausflugs der Mannschaft an den Königssee nicht eingehalten haben. Es ist jedoch nicht anzunehmen, daß Hoeneß solch heidnischen Bräuchen viel Glauben schenkt, wohlwissend, daß religiöse Gefühle an zwei grundlegenden Mängeln kranken: Sie drücken das Denkvermögen und vermitteln oftmals falsche Informationen über die Realität.
Auf den Boden der harten Realitäten zurückgeholt sah sich der Kaisserslauterer Trainer Feldkamp. Sein Vorhaben, den Bayern beide Punkte abzunehmen, scheiterte kläglich, weil er nicht, wie geplant, mit elf Spielern antreten konnte, sondern nur mit sechs oder sieben. Die vier restlichen, die auf der linken Seite spielen sollten, erklärte er als nicht existent. Es ist ihm zu bescheinigen, mit dieser Erklärung den Ursachen des Debakels seiner Mannschaft sehr nahe zu kommen. Sich selbst fragen müßte er, was er seinem Star Stefan Kuntz vor dem Spiel mit auf den Weg gegeben hat. Der irrte irgendwo im Mittelfeld umher, bewunderte dort Bayerns Besten, Thomas Strunz, und als er sich an dem satt gesehen hatte, erlaubte er sich schüchterne Ausflüge in die Nähe des Bayern-Strafraumes, um dort einsam und verloren an Kohler scheitern zu dürfen.
Darüberhinaus zeigte der andere erfahrene Mann der Lauterer, CSFR-Nationallibero Miloslav Kadlec, eine derart traurige Grundschnelligkeit, daß Augenthaler dagegen wie ein junger Sprinter wirkte. Kurz, was die Kaiserslauterer zusammengespielt haben, war, nach Feldkamp, „unter aller Würde“: Keine „roten Teufel“, sondern ängstliche weiße Schneehasen.
Zu einem Fußballspiel gehören bekanntlich immer zwei Mannschaften, deren Leistungen sich gegenseitig bedingen. Obwohl voll des Lobes für die Seinen, sah Bayern-Trainer Heynckes, daß der Gegner nicht einer der Besten war, und verkündete, seine Elf könne noch mehr. Sie sind aber auch jetzt schon nett anzuschauen, die Darbietungen der Bayern. Augenthaler besinnt sich auf seine Stärke, die jahrelange Erfahrung, Kohler entspricht dem Begriff des Vorstoppers; Reuter will den Beweis erbringen, daß Fußball vorrangig ein Laufsport ist und vergißt darüber den Ball. Der neue Blonde aus Gladbach, Stefan Effenberg, will jeden Gegner attackieren, dafür springt ihm aber vor lauter Übereifer häufig der Ball vom Fuß. Allein Pflügler scheint nur noch zu spielen, weil er als einer der wenigen der bayrischen Sprache mächtig ist.
Wem der FC Bayern den Erfolg zu verdanken hat, war für alle im Olympiastadion jedoch offensichtlich: dem Mittelfeld, wo Dorfner sich langsam auf die Gedankengänge seiner Stürmer einstellt und Strunz, so Heynckes, „den Dreh- und Angelpunkt“ des Spiels darstellt. Endlich ein Mittelfeldspieler, der aus der Gilde der Dauerläufer absticht, dem die Größe des Spielfeldes bewußt ist und der trotz seiner jungen Jahre mehr Intelligenz zeigt als vermeintlich erfahrene Spieler auf seiner Position. Genug des Lobes, um nicht der bayrischen Selbstgefälligkeit anheimzufallen. Trotzdem sei erwähnt, daß alle Tore der Münchner mit der Hilfe von Strunz zustande kamen.
Heynckes hat dem bayrischen Publikum gegen den 1. FCK sein kostspieliges Idealbild vorgestellt, mit Ausnahme des verletzten Olaf Thon. Er hat auch die Wertigkeit der Ersatzspieler festgelegt: Bender, Mihajlovic, Schwabl. Wohl dem, der eine solche Auswechselbank besitzt. Der kann nichts anderes werden als Meister. Und wenn Hoeneß seine religiösen Versprechungen einhält, werden auch die Heiligen ihre schützenden Hände weiter über die Bayern halten.
München: Aumann - Augenthaler - Grahammer (15. Bender), Kohler, Pflügler - Effenberg, Dorfner, Reuter, Strunz Laudrup, Wohlfarth (76. Mihajlovic)
Kaiserslautern: Ehrmann - Kadlec - Hoffmann, Dooley Scherr, Schupp (78. Goldbaek), Ernst (57. Haber), Lelle, Kranz - Hotic, Kuntz
Zuschauer: 27.000; Tore: 1:0 - Wohlfarth (43.), 2:0
-Dorfner (48.), 3:0 - Strunz (53.), 4:0 - Hotic (63./Eigentor)
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