Smog-Standards werden heruntergezont

■ Neue Smog-Verordnung für Ganz-Berlin ist lascher als die alte Westberliner Regelung/ Schreyer fürchtet Proteste in Ost-Berlin und im Umland

Berlin. Geht es nach Senat und Magistrat, dann müssen die Westberliner Smog-Standards schon im nächsten Winter heruntergezont werden. Die neue Smog-Verordnung für Gesamt- Berlin, die die beiden Stadtregierungen heute beschließen wollen, ist lascher formuliert als die bisherige Westberliner Regelung. Hintergrund: Die Westberliner AL-Umweltsenatorin Michaele Schreyer und ihr Ostberliner Amtskollege Holger Brandt (SPD) fürchten Ärger in Ost- Berlin und Proteste im Umland.

Umweltpolitisch gebe es »keinen Grund, die Smog-Verordnung zu verwässern«, protestierte gestern der AL-Abgeordnete Hartwig Berger. »Völlig inakzeptabel« sei vor allem, daß die Auslösefrist für den Smog- Alarm auf 24 Stunden verlängert werden soll. Seit einer Verschärfung im letzten Dezember mußte in West- Berlin Smog-Alarm ausgerufen werden, wenn die Grenzwerte zwölf Stunden lang überschritten wurden, der CDU/FDP-Senat hatte eine 21-Stunden-Frist gesetzt.

Glaubt man Schreyers Staatssekretär Klaus Groth, dann handelt es sich trotzdem um »keine Verwässerung«. Weil künftig auch sechs Ostberliner Meßstellen einbezogen würden, sei die Wahrscheinlichkeit weitaus höher, daß die Grenzwerte für einen Smog-Alarm überschritten würden, argumentiert der Staatssekretär. Würde die bisherige Westberliner Auslösefrist beibehalten, dann käme es in Gesamt-Berlin zu einer »erheblich größeren Zahl« von Alarmfällen als bisher in West-Berlin. Das sei Ost- Berlin nicht zuzumuten. Häufige Fahrverbote und Betriebsstilllegungen würden dort zu »sozialen Schwierigkeiten« führen und Arbeitsplätze »gefährden«, meinte der Staatssekretär. Mit der Neuregelung sei gewährleistet, daß auch künftig nur ein- oder zweimal in jedem Winter Smog-Alarm ausgerufen werden müsse. Berger argumentiert andersherum: Weil die Luft in der Ostberliner Innenstadt meist schlechter sei als in West-Berlin, müßten Fahrverbote dort häufiger verhängt werden.

Proteste aus dem Umland führten auch zu einer zweiten Entschärfung in der neuen Smog-Verordnung. Galten die Fahrverbote bisher innerhalb der Stadtgrenzen von ganz West-Berlin, wird das »Verkehrssperrgebiet« künftig stark eingeschränkt. In Nord- Pankow, Marzahn, Hellersdorf, Lichterfelde, Lankwitz, Marienfelde, Lichtenrade, Buckow und Rudow sowie in Teilen von Spandau und Reinickendorf wird das Autofahren künftig auch dann erlaubt sein, wenn im Rest der Stadt kein Rad rollt. Grund: Der grenzüberschreitende Verkehr, der früher in West-Berlin auch bei Smog-Alarm erlaubt war, wird nun nicht mehr vom Fahrverbot ausgenommen. Groth meint deshalb, daß die neue Verordnung »wesentlich strenger« sei als das Westberliner Modell. Damit Fahrer von draußen trotzdem in die Stadt kommen, müsse man sie zumindest bis zu den äußeren U- und S-Bahnhöfen fahren lassen. Allerdings haben sich die Umweltbehörden selbst nicht streng an das Prinzip gehalten, die Grenze des Sperrgebietes an die Endbahnhöfe der S- und U-Bahn-Linien zu legen. Hätte man das getan, wären dort »chaotische Zustände« entstanden, glaubt der Staatssekretär. Gegen ein Sperrgebiet bis an die Stadtgrenzen hätten überdies die Nachbarbezirke Potsdam und Frankfurt/Oder »schärfsten Protest« angemeldet, weil sie dann im Stau ersticken würden.

Die Furcht vor dem Chaos teilt Berger nicht. Bei einem »Luftnotstand« könne eben nicht »alles so funktionieren wie vorher«. Allerdings standen Schreyer und Brandt bei der Formulierung ihrer Verordnung unter Druck: Die Wirtschaftsverwaltungen von Magistrat und Senat hatten verlangt, die Fahrverbote künftig nur noch innerhalb des S-Bahn-Rings zu verhängen. Radikaler war der Westberliner Innensenator Erich Pätzold (SPD). Er hatte — vergeblich — für ein Sperrgebiet in ganz Berlin plädiert. Um der Polizei die Kontrolle zu erleichtern, so Pätzold-Sprecher Werner Thronicker, wäre das eigentlich »zweckmäßiger« gewesen. hmt