: Gezähmte Linke
Labour-Chef hält sich an Tory-Gewerkschaftsgesetze ■ Von Ralf Sotscheck
Nun ist es, kein Zweifel, definitiv: Auf dem Kongreß des britischen Gewerkschaftsverbandes TUC vergangene Woche in Blackpool ist der Verband auf die sozialdemokratische Linie der Labour Party eingeschwenkt. Der TUC hat beschlossen, Labour-Chef Neil Kinnocks „Gewerkschaftsreform“ zu unterstützen. Dadurch kann eine künftige Labour-Regierung weite Teile der Tory-Arbeitsgesetze beibehalten. Sympathiestreiks werden demnach auch bei einem Regierungswechsel auf direkt betroffene Bereiche beschränkt, Streiks ohne Urabstimmung illegal bleiben. Das Ergebnis von Blackpool ist eine klare Niederlage für Bergarbeiter-Führer Arthur Scargill und den linken Gewerkschaftsflügel. Scargill hatte die Delegierten vor der Abstimmung beschworen, nicht „zwei Jahrhunderte des Kampfes“ zu verraten. John Lyons, Vorsitzender der Technikergewerkschaft, konterte: „Wer hier glaubt, Scargill sei ein Pluspunkt bei den Wahlen, sollte sich am Kopf untersuchen lassen. Die Bergarbeiter-Gewerkschaft hat die Schnauze voll von seinen Prinzipien.“ Sein Kollege Bill Jordan faßte die Motivation der Delegierten zusammen: „Ohne eine vernünftige Haltung der Gewerkschaften in Hinblick auf die Arbeitsgesetze wird es keine Labour-Regierung geben.“ Da die Gewerkschaften über 90 Prozent der Stimmen auf dem Labour-Parteitag im nächsten Monat verfügen, droht dort Kinnocks „Reformpaket“ keine Gefahr mehr. Der Labour-Chef machte den Delegierten in Blackpool klar, daß die Gewerkschaften von einer Labour-Regierung Fairneß, jedoch keine Bevorteilung erwarten könnten — und erhielt dafür stehende Ovationen. Kinnock ist davon überzeugt, daß eine zu große Gewerkschaftsnähe die Labour Party die nächste Wahl kosten würde. Deshalb hat er die Gewerkschaften auch dazu überredet, ihren Anteil bei Labour-Parteitagen 1991 auf zwei Drittel der Stimmen zu reduzieren.
Mit der Zähmung der Gewerkschaften hat Kinnock eine weitere Hürde auf dem Weg zur Thatcher- Nachfolge beiseite geräumt. Das ist auch den Torys klar, wie ihre Reaktion beweist: Noch während des TUC-Kongresses beriefen der stellvertretende Premierminister Geoffrey Howe und Arbeitsminister Michael Howard Pressekonferenzen ein, auf denen sie den TUC des „zynischen und betrügerischen Versuchs“ beschuldigten, die WählerInnen über die Regierungstauglichkeit der Labour Party zu täuschen; tatsächlich würde die Partei Großbritannien „in die von Streiks gekennzeichneten 70er Jahre zurückkatapultieren“, sagte Howard.
Die Beschwörung der alten Feindbilder zieht jedoch nicht mehr: Die Mehrheit der Bevölkerung glaubt laut Meinungsumfragen längst nicht mehr daran, daß von der Labour Party sozialistische Ideen ausgehen könnten. Labour ist für die große Masse wieder wählbar geworden.
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