piwik no script img

Che me fa turna la Kopf

■ Francesca de Martin mit drei Stücken von Dario Fo im Schlachthof

Vielleicht sollte Francesca de Martin zur Abwechslung mal dafür sorgen, daß ihr fotografisches Abbild in Bremer Veranstaltungsrubriken nicht dieses ewig- gleich schrill aufgerissene Gesicht zur Schau stellt, das weniger komödiantische Verheißung ausdrückt als vielmehr die wild entschlossene Drohung, fürs Bremer Publikum das Bella-Italia-Temperaments-Klischeebild zu erfüllen.

Es mag ja sein, daß manch eine WolljackensockenschlurferIn der Alternativszene nicht anders auf Trab zu bringen ist — vielleicht in der geheimen Hoffnung, bei Francesca de Martin Anregung zu finden für eigene Selbstverwirklichungs-„Schauspielen- kann-jeder“-Freude — und vielleicht war es deshalb am Donnerstag so mau besetzt im Schlachthof, weil sich doch schon herumgesprochen hat, daß Francesca de Martin nicht taugt als Therapietante fürs Laienspiel: Sie kann nämlich wirklich was, sie ist tatsächlich Komödiantin — und italienisch als Italienerin, nicht etwa als augenrollend exotische Brem- Itale.

Sie präsentiert „Tre Miracoli“, drei biblische „Wunder“, von Dario Fo geschrieben:

Der Blinde und der Lahme, die wundersame Verwandlung von Wasser in Wein zu Kanaan und das erste Wunder des kleinen Jesus im ägyptischen Exil. Ganz ohne Requisiten — wenn man vom Stock des Lahmen absieht —, nur mit dem eigenen Körper, dem Gesicht und einer skurrilen Mischsprache, „Gramelot“ genannt: teils Deutsch, teils Italienisch. Fast unscheinbar kommt sie herein, erläutert mit ein paar Worten, was sie jetzt spielen wird, in welcher italienischen Volkstheater-Tradition die Fo- Stücke entstanden sind — und dann legt sie los, ein wenig verhalten noch zu Anfang, allmählich virtuoser: Verschiedene Figuren scheinen sich plötzlich auf der Bühne zu bewegen, die durcheinanderschreien, sich gegenseitig ins Wort fallen, sich widersprechen, sich in den Hintern treten, besoffen torkeln. Francesca de Martin versetzt mit großen, schnellen Gesten die Bühne in Bewegung, macht ein Marktplatzgewimmel draus, obszön, komisch, gespielt-geziert, derb maskulin - sie kauderwelscht, che me fa turna la Kopf (daß sich mir der Kopf dreht) und schafft es doch, daß man fast alles verstehen kann in dieser Einheit aus „Gramelot“, Mimik und Gebärden. So eine Frau müßte umgeben, umringt sein von ihrem Publikum, damit man sie von allen Seiten sehen kann. Zumindest sollte die Kesselhalle voller sein, wenn Francesca de Martin am Sonntag noch mal die Bühne füllt. Sybille Simon-Zülch

Sonntag, um 20.30 Uhr im Schlachthof.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen