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Mieterschutz und Altbausanierung in der DDRMieterrechte der DDR ausverkauft

■ Der Teufel wird mit dem Beelzebub ausgetrieben: Hunderttausende Häuser in der DDR sind dringend sanierungsbedürftig. Um Kapitalgeber zu motivieren, hat sich die DDR im Einigungsvertrag ihre Mieterrechte abhandeln lassen.

Von Eva Schweitzer

Bis zum 2.Oktober genießen DDR-Mieter einen hundertprozentigen Kündigungsschutz, sie dürfen nach eigenem Gusto Wohnungen tauschen und Untermieter aufnehmen. Daß diese Mieterrechte aufgehoben werden, hat offensichtlich nichts mit der dringend notwendigen Sanierung der Häuser zu tun.

Um den mangelnden Widerstand des DDR-Mieters gegen die Demontage ihrer Rechte zu verstehen, muß der Wessi wissen, daß der DDR- Mieter ganz anders wohnt. Der Feind des DDR-Mieters ist die KWV, die „Kommunale Wohnungsverwaltung“ und die entsprechende städtische Behörde.

Die KWV repariert nichts, hat keine Handwerker, kein Material, keinen Überblick und es kostete viel Kraft und Nerven, sie zu einer Initiative zu zwingen. Demzufolge lebt der DDR-Altbaumieter zwischen zugigen Fenstern und tropfenden Regenrinnen, sein Kachelofen funktioniert nicht und auf einen zentralbeheizten Trauerkloß am Stadtrand wartet er Jahre.

Dafür lebt er ziemlich unbehelligt und vor allem billig: Die Durchschnittsmiete eines statistischen Haushaltes beträgt 87Mark im Monat. Untermietverträge und Wohnungstausch ohne Miteinbeziehung des Vermieters waren völlig legal und demzufolge gang und gäbe, in der BRD unvollstellbar. Daß sich ein lediger Zahnarzt, der Prototyp eines reichen Bürgers in der Bundesrepublik, eine Sechs-Zimmer-Flucht in der City leisten kann, während kinderreiche Familien auf engstem Raum leben müssen, weiß der DDR- Bürger. Daß dies jedoch nicht moralisch verwerflich sein soll, sondern in einer Marktwirtschaft gewollt ist, kann er sich bisher kaum vorstellen.

Sanierung — auf wessen Kosten?

Vorstellen kann er es sich aber, ohne tropfende Fenster und ziehende Dachrinnen zu leben. Und er ist auch gerne bereit, dafür mehr Miete zu zahlen, solange sein Einkommen parallel dazu steigt und die Mietbelastungsquote von etwa drei Prozent des Einkommens sich nicht wesentlich ändert. Das ist natürlich Utopie, denn der Westler mit geringem Einkommen, d.h. unter 1000 Mark netto, legt 40 Prozent seines Gehalts für die Miete auf den Tisch, von der er einen Teil als Wohngeld erstattet bekommt.

Deshalb möchte zum Beispiel der Westberliner Bausenator Nagel (SPD) den DDR—Mieter beim Fall in die Wirklichkeit gerne „abfedern“. Nagel hat ein Sanierungskonzept gleich für halb Brandenburg vorgelegt und setzt bei der Sanierung des umfangreichen DDR-Wohnungsbestandes auf öffentliche Gelder. 2,8 Milliarden Mark für die Stadterneuerung brauche Berlin und die Region zwischen Frankfurt und Potsdam die nächsten zwei Jahre aus Bonn, fordert Nagel. Damit sollten flächendeckend Dächer instandgesetzt, Fenster abgedichtet und Feuchtigkeit beseitigt werden. Die Mieten blieben dabei gebunden, aber auf hohem Niveau: Nach Nagels Konzept sollen sie nach der Sanierung innerhalb von sieben Jahren auf knapp zehn Mark Warmmiete pro Quadratmeter steigen.

Schlechter gestellt wären die DDR-Mieter bei privaten Investitionen. Der Einigungsvertrag schafft nicht nur DDR-Mieter zweier Klassen (siehe Kasten), sondern auch DDR-Wohnungen zweier Klassen — je nachdem, ob sie vor oder nach dem 3.Oktober gebaut wurden. Bei letzeren dürfen Marktmieten genommen werden. Und die dürften im Bereich des Westberliner Wohnungsmarktes spätestens nach Einführung der modernen Telekommunikation nicht wesentlich unter dem westlichen Neubauniveau von 20 Mark pro Quadratmeter liegen. Gleich teurer dürfen auch leerstehende Wohnungen vermietet werden, die mit „erheblichem Aufwand“ wieder hergerichtet werden. Für die Wohnungen erster Klasse, die vor dem 3.Oktober entstanden, gilt bis zum 31.12.1991 noch die Mietpreisbindung. Danach sind Mieterhöhungen von 30 Prozent alle drei Jahre nach dem Mietrecht der BRD möglich. Bei Neuvermietungen gibt es als Obergrenze nur die rechtliche Regelung des „Mietwuchers“.

Ab sofort können bei Modernisierung elf Prozent der Baukosten auf die Jahresmiete umgelegt werden, so verzehnfachen sich die jetzigen DDR-Mieten spielend. Selbst Instandsetzung darf auf die Miete überwälzt werden, was in der BRD unzulässig ist.

Letzteres gilt sogar für den riesigen Wohnungsbestand der DDR, der mit öffentlichen Geldern gebaut wurde. Denn die Bonner Gesetzgeber haben diesen Wohnungsbestand nicht zu preis- und belegungsgebundenen Sozialwohnungen gemacht. Sie hätten das Problem schlicht übersehen, stellte der Berliner Mieterverein fest. Grundlage für eine Sozialbindung ist derzeit nur ein Volkskammerbeschluß, der Ende 1991 ausläuft. Übersehen wurde auch, den Kommunen zu ermöglichen, eine Fehlbelegungsabgabe zu kassieren. (Das ist ein Zuschlag für gutverdienende Mieter, die ihr Anrecht auf eine billige Sozialwohnung verloren haben und dennoch weiterhin die Preisvorteile genießen. Die „Fehlbelegungsabgabe“ muß der Staat für den Wohnungsbau verwenden.) In Ost-Berlin dürfte eine derartige Abgabe jetzt schon 20 bis 30 Prozent der Haushalte treffen, schätzt Armin Hentschel, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Berliner Mieterverein. „Der Stadt entgehen so 200 Millionen Mark jährlich“, rechnet er vor. Außerdem würde diese Abgabe die Legitimation dafür hergeben, die Preisbindung zu behalten, ohne den betuchten Mieter zu privilegieren.

Abgeschafft wurde schon am 1.September die staatliche Wohnraumzuweisung. Private Vermieter, denen in der DDR gut die Hälfte des Hausbestandes gehört — darunter vor allem Einfamilienhäuser — dürfen sich nun selbst die Mieter aussuchen, offiziell noch nach den alten DDR-Mietpreisen. Das Gros der großstädtischen Wohnungen verwaltet jedoch die bereits erwähnte KWV. Da ist nun Umdenken angesagt — bei den Mietern. Zwar werden Mieter in dringlichen Fällen in den meisten DDR-Städten nach wie vor de facto in Wohnungen eingewiesen und müssen sich schlimmstenfalls mit zwei weiteren Leidensgenossen um die gleichen Räume bewerben. Es werden jedoch nur noch ausgesprochene Sozialfälle so vermittel, also Mütter mit kleinen Kindern in einer Ein-Raum-Wohnung, Schwerbehinderte, Rentner oder akut räumungsbedrohte Familien, wobei die Dringlichkeit übrigens laut Volkskammerbeschluß unabhängig vom Einkommen ist.

Alleinstehenden gesunden Menschen unter 50 Jahren wird jedoch zumindest in Ost-Berlin prinzipiell keine Dringlichkeit zuerkannt. Im Wohnungsamt Prenzlauer Berg etwa, dem größten Ostberliner Altbaugebiet, existierte zum Stichtag 1.September eine Alt-Warteliste mit 10.000 Wohnungssuchenden, von denen heute nur noch gut 1.000 als dringlich vermittelt werden. Die übrigen 9.000 Mieter sind auf den freien Wohnungsmarkt verwiesen — mit Maklern, Abstand und allem, was dazu gehört.

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