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Motorenwerk Bremerhaven: vielseitig, aufstrebend, zivilisiert

■ Gegründet, um Marine-Motoren zu reparieren / Durch Krisen ins Zivil-Geschäft / taz-Rüstungsserie III

Der Betrieb heißt „Motorenwerk Bremerhaven“, und ist mit 850 MitarbeiterInnen einer der größten Arbeitgeber Bremerhavens. Genaugenommen hätte das Werk bei seiner Gründung 1959 jedoch „Marine-Motorenwerk“ getauft werden müssen. Denn seine Bestimmung sollte es sein, für die Bundesmarine küstennah Schiffsmotoren instand zu setzen. Demgemäß lag der Rüstungs-Anteil im Gründungsjahr 1959 bei annähernd 100 Prozent.

Wer sich heutzutage die Firmen-Broschüre und den Werbe- Film über das „Motorenwerk“ ansieht, bekommt kein einziges graublaues Marineschiff zu sehen. Stattdessen verwirrend viel Ziviles: Kabelbäume für die Europa-Rakete „Ariane“, Prüfstände für Motoren, Spezialfahrzeuge der deutschen Antarktisstation... Warum taucht in der hauseigenen Information die „Wehrtechnik“ gar nicht mehr auf? Die zwei Herren in der Chefetage vollführen einen kleinen Eiertanz: Hier sei man „vorsichtig“ gewesen, sagt der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit Horst Gellrich. Sein Chef, der technische Geschäftsführer Gerhard Kempf, läßt einen seiner Lieblingssätze vom Stapel: „Die Marine ist uns nach wie vor ein sehr sehr lieber und wertvoller Kunde.“ Kurz später sagt er zur eigenen Entlastung: „Wir haben hier nie Kampfschiffe repariert, nur Versorger.“ Fest steht: Das „Motorenwerk Bremerhaven“ versteht sich heutzutage als „technisches Dienstleistungsunternehmen“. Und das in Mode gekommene Wort von der „Rüstungs-Konversion“, die das Umstellen von militärischer auf zivile Produktion meint, hat Geschäftsführer Kempf seiner Ansicht nach nicht nötig: „Wir haben uns längst zu der neuen Entwicklung Gedanken gemacht. Wir haben schon vor vielen Jahren diversifiziert.“ Kempf über das Umtun nach neuen Märkten und Produktlinien („Diversifizieren“): „Zu Beginn der Schiffbaukrise '75 haben sich plötzlich alle Werften um die Aufträge bei der Bundesmarine gerissen. Wir waren gezwungen, auf dem zivilen Markt verlorenes Terrain gut zu machen.“

Fünf Unternehmensbereiche gibt es im „Motorenwerk“. Da wäre erstens die hauseigene Werft. Hier werden vor allem Schiffe repariert: Sowjetische, skandinavische, arabische. Schiffe der Bundesmarine machen noch zehn Prozent aus. Darunter auch das Versorgungsschiff „Westerwald“, das derzeit in Sachen Golfkonflikt im Mittelmeer unterwegs ist.

Der zweite Unternehmensbereich des „Motorenwerks Bremerhaven“ heißt so, wie es der Unternehmensname auch vermuten läßt, „Motoren“. Geschäftsführer Kempf: „Wir müssen in der Lage sein, alle Motoren instandsetzen zu können.“ Die Umsätze im Bereich „Wehrtechnik“ liegen bei ca. 45 Prozent. Kempf: „Wir gehen davon aus, daß dieser Anteil auf unter 40 Prozent fallen wird. Trotzdem haben wir beschlossen, zehn neue Mitarbeiter einzustellen.“

Der dritte Unternehmensbereich heißt „Elektronik“. Wehrtechnikanteil 40 Prozent. Doch hier ist Geschäftsführer Kempf verschwiegen. Obwohl er zuvor verkündet hatte, er habe „keine Berührungsangst“ in Sachen Rüstung, will er nicht verraten, wem er Elektronik liefert. Was Kempf 1990 der taz nicht sagen will, sagte er 1982 der Zeitschrift „Wehrtechnik“: „Das Tropscatter AN/TRC 80 aus dem Waffensystem Pershing wird ebenso überholt wie Komponenten aus verschiedenen Waffensystemen von Heer und Luftwaffe. Neu einschalten konnte sich MWB in Reparaturarbeiten für das Waffensystem F-4 Phantom. Die Fertigung erstreckt sich auf Komponenten, Kabelbäume und Verteiler für die Waffensysteme ROLAND, HOT, MM-38 Exocet und Spezialkabel für Prüfstände verschiedener Waffensysteme, z.B. Leopard 2 und Alpha Jet.“

Aus dem Unternehmensbereich vier, den Fahrzeugen, macht der Geschäftsführer kein Geheimnis: Vor allem LKW der Bundeswehr würden hier auseinandergebaut und neu zusammengesetzt. Hier kommt dem „Motorenwerk“ zugute, daß das Verteidigungsministerium im Zuge der Abrüstung weniger Neu-Fahrzeuge in Auftrag geben will. Denn weniger neugebaute LKW, das heißt umgekehrt: Längere Lebensdauer des alten Geräts, folglich: mehr Reparaturaufträge.

Fünfter und jüngster Unternehmensbereich: Der Anlagenbau. Das sind vor allem Feuerungsanlagen, die für Festbrennstoffe ausgerichtet sind: Obstkerne, Reisschalen, Baumwollsaatschalen... Das Geschäft mit der DDR, die aus dem Braunkohlebergbau aussteigen will, läuft bestens an und wird, so Geschäftsführer Kempf, „einen Riesensprung“ machen. Und ist, wie er gegenüber der taz-Reporterin betont, „ganz zivil.“ Barbara Debus

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