: Bananen essen — und bloß nicht pinkeln!
■ Am Sonntag ist mal wieder Berlin-Marathon: Was die Läufer alles falsch machen können/ Elektrolyträuber und andere Unwägbarkeiten/ Letzte Instruktionen an alle Marathonläufer über Salz, Wasser, Schweiß, Blut, Urin — und Bier
Berlin. »Dummheit säuft, Intelligenz läuft«, davon ist Dr. Heppe, verantwortlicher Arzt für den Berlin- Marathon am Sonntag und selbstredend langjähriger Mit-Läufer, fest überzeugt. Gelegentlich allerdings ist es auch die Dummheit, die läuft — und noch dazu falsch säuft.
Des Läufers Uneinsichtigkeit und Unkenntnis nämlich ist es zu verdanken, daß Veranstalter Horst Milde vom SCC Berlin auch in diesem Jahr wieder isotone Getränke (Getränke, deren Verhältnis von Mineralsalzen zu Wasser mit dem Salz-Wasser- Verhältnis im Blut übereinstimmt) auf der Strecke darreichen läßt: »Man kann sich schließlich nicht gegen die Trinkgewohnheiten der Läufer stellen.«
Dann schon eher gegen alle sportmedizinischen Erkenntnisse; Professor Behn vom Institut für Sportmedizin der Freien Universität Berlin und Veranstalter des morgigen Marathon-Workshops stimmt mit Dr. Heppe überein: Isotone Getränke belasten den Magen, haben aber keinen effektiven Nutzen für den Läufer. Die Flüssigkeit, die während des Laufens durch Schwitzen verlorengeht, isthypoton (das heißt, Schweiß enthält im Vergleich zu Blut weniger Salze und mehr Wasser), und es sollte genau das ersetzt werden, was verlorengeht: hypotone Flüssigkeit. Professor Behn empfiehlt den Marathonläufern, die auf der Strecke angebotenen isotonen Getränke mit zwei Dritteln Wasser zu verdünnen. Wer dennoch Magenschmerzen bekommt, sollte eine der vom SCC bereitgestellten 50.000 Bananen essen. Bananen dienen zwar beim Marathonlauf nicht der Energiegewinnung — dafür ist die Laufzeit zu kurz —, aber sie beruhigen die angegriffene Magenschleimhaut.
Zu den typischen Dummheiten einiger Unverbesserlicher gehört auch die Einnahme von Salztabletten, die dem Körper das so dringend benötigte Wasser noch zusätzlich entziehen, oder der Verzehr von Traubenzucker vor oder während des Laufs. Für jene, die es immer noch nicht wissen: Traubenzucker geht im Gegensatz zu anderen Zuckerarten sofort ins Blut. Der Körper reagiert auf den Zuckerschock mit erhöhter Insulinausschüttung zur Senkung des Blutzuckerspiegels. Da durch die körperliche Aktivität ebenfalls Zucker verbraucht wird, kann es zu einer Unterzuckerung kommen, die dem Lauf — oder gar dem Leben — ein vorzeitiges Ende setzen kann.
Doch der Dummheiten nicht genug: Der unbesonnene Läufer, der noch kurz vor dem Start seine Blase entleert, »verpinkelt sinnlos kostbarstes Kühlwasser«, warnt Dr. Heppe. Die Niere stellt ihre Funktion beim Laufen allmählich ein, die Haut übernimmt die Flüssigkeitsausscheidung. Daher sollte nicht länger als 10 bis 15 Minuten vor dem Lauf mit der Flüssigkeitsaufnahme begonnen werden, sonst springt die Niere an, und der Läufer muß — unangenehm genug — nach dem Start ein Örtchen aufsuchen und verpinkelt obendrein, was ebensogut hätte verschwitzt werden können. Während des Laufs sollte bei jeder Versorgungsstation getrunken werden — »auch ohne Durstgefühl, denn dieses kommt erst, wenn es schon zu spät ist«. Etwa einen Liter Flüssigkeitsaufnahme pro Stunde empfiehlt Professor Behn den Marathonläufern.
Doch bergen die Trinkgewohnheiten des ahnungslosen Marathonläufers noch weitere Gefahren: Gern schluckt dieser am Vorabend des großen Ereignisses zwecks Beruhigung der Nerven und Verdauung der Nudelparty noch ein Bierchen oder zwei. Doch Vorsicht: Bier ist ein niederträchtiger Elektrolyträuber, besteht es doch — von den Brauereien klug bedacht — aus harntreibenden Substanzen, die den Biertrinker in die glückliche Lage versetzen, unendlich viel Bier trinken zu können. Die Elektrolyte, des Läufers größter Schatz, gehen dabei gleich mit verloren. Da es undenkbar ist, am Vorabend des Ereignisses kein Bier zu trinken, rät Dr. Heppe zur Supplementierung der dringend gebrauchten Elektrolyte.
Wir nähern uns dem Höhepunkt der Torheiten: Gegen alle Regeln der Vernunft und der Abfallvermeidung handeln schließlich die Organisatoren des Laufs; über 2.000 Plastikbecher und etwa 150.000 Schwämme werden am Sonntag Berlins Straßen verunstalten, doch sieht Horst Milde »einfach keine Alternative«. Wir sehen eine: wiederverwertbare Behälter, die jeder Läufer mit sich führt (zum Beispiel mit einem Klettverschluß am Rücken befestigt) und die er bei der Getränkestation auffüllen kann. Oder sollte das vielgespriesene Umweltbewußtsein des Sportlers schon bei der eigenen Bequemlichkeit ein Ende finden? Daniela Hutsch
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