: Akropolis adieu — bis zum Jahr 2096
■ Kein Olympia: Nach dem Abblitzen Athens beim IOC gingen dort die Börsenkurse in den Keller — aber die wenigen Bäume atmeten auf/ Eine Möchtegern-Olympiastadt eine Woche nach dem Schock
Athen. In der letzten Woche gab in Tokio das Internationale Olympische Komitee (IOC) der US-Stadt Atlanta als Austragungsort für die »Goldenen Spiele 1996« den Vorzug. Die Wiege der neuzeitlichen Version dieses Sportfestes, Athen, ging leer aus. Ganz Griechenland greinte.
Auch die Athener Börse schloß sich der allgemeinen Katerstimmung an. An zwei aufeinanderfolgenden Tagen sanken die Aktienpreise um durchschnittlich sieben Prozent. Vor allem im Telekommunikationsbereich und in der Bauwirtschaft hatten sich viele Firmen positive Impulse durch die »Goldenen Spiele 1996« erhofft.
Nur wenige Kritiker atmeten nach der negativen Entscheidung des IOC erleichtert auf. Sie hatten den Wunschbildern, die die politische Führung und der überwiegende Teil der Massenmedien für die Betonmetropole Athen ausmalten, schon immer mißtraut. Von wegen grüne Stadt ohne Verkehrschaos: Das Dossier, mit dem Griechenland in Tokio um die Austragung der Spiele antrat, beinhaltete für den Bereich der Altstadt oder für den Küstenstreifen Faliro im Süden der Stadt zwar Veränderungen, gegen die niemand etwas einzuwenden hatte. Beispielsweise sollten alle archäologischen Stätten im Zentrum durch ein Netz von Fußgängerzonen, mit Grünflächen ergänzt, untereinander verbunden werden. Doch der Großteil der im Dossier als »unbedingt notwendig« angeführten Arbeiten erschöpfte sich in der Verbesserung des vorhandenen Straßennetzes und im Bau der olympischen Dörfer.
Mitverursacher für die katastrophale Verkehrssituation — und in der Folge für den Smog — in der griechischen Hauptstadt ist das Fehlen einer Umfahrungsstraße. Zur Lösung des Problems, die olympischen Stätten miteinander zu verbinden, hätte man einen faulen Kompromiß gewählt: eine »Umfahrungsstraße«, die sich auf zwei Hauptverkehrsadern stützt, die direkt durch das Zentrum führen. Davor warnte selbst ein führendes Wirtschaftsmagazin: »Die Olympiade bedeutet mehr Smog, weniger Grün, mehr Zement, verstärkte Landflucht und größere Abhängigkeit bei Phänomenen wie Regenmangel.«
Der Anreiz, die Lebensqualität der Athener zu verbessern, fällt nun durch die Niederlage in Tokio weg. Ob die geplante U-Bahn noch in Angriff genommen wird, weiß niemand. Ebensowenig sicher ist, daß der Süden Athens und die Hafenregion endlich Grünflächen bekommen. Die Politiker versprechen, diese Planungen trotzdem zu realisieren. Doch Einwohner der griechischen Hauptstadt befürchten eher, daß sich die Ankündigungen bis zum Jahre 2096 verzögern. Dann steht die 200jährige Wiederkehr der neuzeitlichen Olympischen Spiele an — und Athen will sich dann wieder bewerben. Robert Stadler, Athen
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