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Die Banker-Meute zieht wieder ab

Über eine Woche lang regierte die Geld-Elite die Welt der amerikanischen Hauptstadt/ Weltbank-Aussteiger Erwin: Gewinne verwandeln sich in extravagante Mitarbeitergehälter  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Freßsüchtig wie die Vögel in Hitchcocks vielzitiertem Film und anspruchsvoll wie die Kolonial-Elite in einem Tom-Scott-Roman fallen sie alle Jahre wieder ins frühherbstliche Washington ein. Für mehr als eine Woche sind dann alle Luxus- Limousinen und Hotelsuiten ausgebucht, und die Büffet-Dienste in der US-Kapitale verdienen mehr als im ganzen Rest der Bankettsaison. Die noch unerfahrenen Mitglieder des Washingtoner Taxigewerbes — das fest in äthiopischer und somalischer Hand ist — wundern sich dann, warum sich so viele Männer ihrer Hautfarbe in schwarzen Samtanzügen und nadelgestreiften Zweireihern durch die Hauptstadt chauffieren lassen.

Aufsichtsratstreffen oder Ballroom-Party?

Die noch vom Sommeransturm übriggebliebenen Touristen zücken in der 19. Straße vorsichtshalber mal die Kameras, wenn sich so viele wichtig aussehende Herren aus obszön langen Limousinen schälen. „Was ist denn hier los?“ wundern sich Passanten. Ja, wie soll man das dem Laien nun erklären: dieses Jahrestreffen von Internationalem Währungsfond (IWF) und Weltbank, in dessen Rahmen sich bis zu 10.000 Banker aus aller Welt zu einer seltsamen Mischung aus Kabinettssitzung, Aufsichtsratstreffen und Ballroom Party treffen.

Wo in Berlin vor zwei Jahren noch Tausendschaften bewaffneter Sicherheitskräfte die globale Hochfinanz vor des jungen Pöbels Zorn schützen mußten, bedarf es in den USA nicht einmal eines Schutzpolizisten, um den Verkehr vor den Eingängen von IWF und Weltbank abzusichern. Eine friedliche Demonstration von drei Dutzend NichtregierungsorganisationsvertreterInnen, die aus ihrem Alternativ-Quartier im Quäkerhaus mal kurz vor die Hauptquartiere der Kreditinstitute zogen, hatte schon in der letzten Woche den Höhepunkt an symbolischen Protesten gebracht. Die restliche Kritik stammt in diesem Jahr von einem Insider, von dem bereits im April aus Gewissensgründen ausgestiegenen Personalchef der Weltbank, Michael Erwin. Die Weltbank bezahle, so hatte Erwin seinen Ex-Arbeitgeber vor dem Jahrestreffen gescholten, „aufgeblasene Gehälter“ und „extravagante Sonderleistungen“. Die Behörde benutze ihren jährlichen Milliardenprofit aus der Kreditvermittlung allein zur Selbstbefriedigung des 6.000 Mitarbeiter zählenden Stabes. Die Reduzierung der Armut, so der Weltbankaussteiger, sei das letzte, was die von der Realität völlig abgehobenen Weltbank-Mitarbeiter im Sinne hätten.

Money talks — unerträglich geschwätzig

Nichts Neues gewiß, aber zumindest einer weniger, der sich in diesem Jahr beim Aperitif in geomonetärem Geschwätz erging. „Money talks“, heißt es in einer englischen Redewendung. „In meist unerträglichen Worten“, möchte der Besucher solcher Bankenempfänge hinzufügen.

Diesmal redete zumindest das private Geld etwas leiser. Zwar hatte die „Korea Development Bank“ zur Feier des Ereignisses eine drei Meter hohe Ice-cream-Pagoda aufgefahren, und auch der Commerzbank- Dampfer schipperte ohne große Schieflage über den glitzernden Potomac. Doch schon bei der amerikanischen Citibank wurde das letztjährige Spektakel in der Bahnhofshalle der Union Station nach Bekanntwerden der jüngsten Bilanzen und der Entlassung von 5.000 Mitarbeitern durch mehrere kleine Austeritäts- Parties ersetzt. Doch auch hier hätten die Auslagen noch zur Jahresfinanzierung so mancher Dritte-Welt- Projekte ausgereicht. Wo Banker den Gürtel enger schnallen, würde jedem Normalsterblichen die Hose immer noch mit Abstand auf die Knie rutschen.

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