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Das Ende des Tauziehens

Bis zum Beitritt des Pfunds zum Euro-Währungssystem mußten einige Köpfe rollen  ■ Aus London Ralf Sotscheck

Der britische Beitritt zum Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems hat ein jahrelanges innenpolitisches Tauziehen beendet, bei dem verschiedene Köpfe gerollt sind. Der ehemalige Finanzminister Nigel Lawson wollte dem Wechselkursmechanismus bereits 1985 beitreten, scheiterte jedoch am Widerstand von Margaret Thatcher. Zwei Jahre später versuchte er, den Kurs des Pfundes an die D-Mark anzuhängen, was zu einer öffentlichen Auseinandersetzung mit der Premierministerin und schließlich zu seinem Rücktritt führte. Geoffrey Howe erging es nicht besser: Sein Drängen auf Beitritt zum Wechselkursmechanismus bezahlte er mit seinem Posten als Außenminister.

Die britische Regierung erhofft sich von Thatchers Meinungsumschwung einen stabilen Pfundkurs, der entscheidend zum Kampf gegen die Inflation beitragen soll. Dann, so lautet die Theorie, seien Gewerkschaften und Arbeitgeber gezwungen, moderate Tariferhöhungen abzuschließen. Doch der Zeitpunkt des Beitritts unterminiert die Behauptung, daß es sich dabei um eine inflationsbekämpfende Maßnahme handelt. Finanzkreise meinen, daß der Schritt aus politischem Opportunismus geboren wurde, um die Zinsrate zu senken und ein günstiges Klima für Parlamentswahlen im nächsten Sommer zu schaffen. Der Schuß kann jedoch nach hinten losgehen. Sinkende Zinsen bei gleichzeitigen Lohnerhöhungen und einem Rekorddefizit in der Zahlungsbilanz senden genau die Signale an die britischen Verbraucher aus, die Finanzminister John Major vermeiden will. Majors Prognose, daß der Trend der Inflation nach unten zeige, könnte sich als Trugschluß erweisen.

Professor Meghnad Desai von der „London School of Economics“ (LSE) wirft dem Finanzminister vor, die ökonomischen Trends mißdeutet zu haben. Die britische Wirtschaft sei keineswegs in einem Stadium inflationsabbauender Rezession, sondern in einer Phase der Stagflation: „Im ersten Fall wird die Gesamtnachfrage um mehr als das Gesamtangebot gesenkt, wodurch eine Marge überschüssiger Kapazitäten frei wird. Bei einer Stagflation verringert sich die Produktion stärker als die Gesamtnachfrage.“ Der Lohndruck führe dadurch zu einer Produktionskostensteigerung, die wiederum eine kostentreibende Inflation auslöse. Darüber hinaus werde die übereilte Senkung der Zinsrate zur zunehmenden Kauflust der Verbraucher führen.

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