: Bundesrat gefährdet Multikulturkongreß
■ Momper lädt den Bundesrat in die Kongreßhalle ein, ohne das Haus der Kulturen der Welt zu fragen/ Muß »Kulturelle Vielfalt Europas« weichen?
Berlin. Wo die Einheit weht, muß die Multikultur weichen. Und wenn Momper jemandem winkt, dann müssen alle anderen leider draußen warten: Wenn am 9. November der neue Bundesrat sich, wie vom Regierenden Bürgermeister vorgeschlagen, in der Berliner Kongreßhalle konstituieren würde, so gefährdete dies akut die Arbeit des dort ansässigen Hauses der Kulturen der Welt.
Die Kongreßhalle, wo seit dem letzten Jahr nach längerer konzeptloser Gemischtnutzung mit großem Erfolg vielfältige Veranstaltungen und Ausstellungen gerade auch der kleineren Kulturen der Welt stattfinden, wird offenbar als Dispositionsmasse für die Hauptstadtpolitik begriffen. So hatte der Regierende Bürgermeister seine Einladung an den Bundesrat für den 9. November und seinen Vorschlag, das Ländergremium später in der Kongreßhalle dauerhaft unterzubringen gänzlich ohne irgendeine Rücksprache mit der unabhängigen — und wohlweislich an niemandes Weisungen und Wünsche gebundene — Kulturinstitution gemacht. Dort erfuhr man von dem Vorhaben erst aus der Presse.
Bis gestern lag dann auch im Haus der Kulturen der Welt noch nicht einmal ein Nutzungsantrag für den 9. November vor. Dennoch wurde man dort tätig. In einem Brief, den Generalsekretär Günter Coenen auch im Auftrag des Aufsichtsrates, dessen Vorsitzende ausgerechnet Mompers Kultursenatorin Anke Martiny ist, an den Regierenden Bürgermeister schrieb, bietet man dem Bundesrat das Haus vom 8. bis zum 12. November zur Nutzung inklusive Auf- und Abbau an. Bis zum 7. läuft dort ein dreitägiger internationaler Kongreß mit dem Titel Kulturelle Vielfalt Europas, wo unter anderem die Ursachen des Nationalismus in Europa diskutiert werden sollen. Eröffnet wird der Kongreß von Momper und Tino Schwierzina.
Und während die Kulturverwaltung im Haus der Kulturen der Welt anfragen ließ, wieviel es denn kosten würde, diese Veranstaltung abzusagen, bemüht man sich im Hause Martiny gleichzeitig, ein Ausweichquartier zu finden, falls der Bundesrat Mompers landesherrliche Einladung annehmen sollte. »Notgedrungen«, wie Martinys Sprecher Ulrich Zawatka sagte.
Von »Sittenverfall« sprach indessen Harald Jähner, Sprecher des Hauses der Kulturen der Welt. Es gehe nicht nur um den materiellen Schaden, den man mit der Verlegung oder gar Streichung einer Veranstaltung anrichte. Vielmehr zeige sich darin auch, welchen Stellenwert man der Arbeit des Hauses gebe und welche Atmosphäre dort entstehen könne bzw. zerstört würde. So war die Kongreßhalle schon um den 3. Oktober für zehn Tage geschlossen und zum internationalen Pressezentrum umfunktioniert worden. Eine weitere vollständige Schließung des Hauses sei aber dem Publikum nicht mehr zuzumuten. grr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen