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Aldo Moro steigt wieder aus dem Grab

„Zufällig“ aufgefundene Brief- und Notizkopien des Enführten verwirren ItalienerInnen  ■ Aus Rom Werner Raith

500 Fotokopien bisher unbekannter Briefe und Notizen des 1978 entführten und knapp zwei Monate später ermordeten christdemokratischen Politikers Aldo Moro wirbeln Staub in der italienischen Öffentlichkeit auf. Reichlich merkwürdig war schon die Art und Weise, wie die Dokumente vor zehn Tagen „aufgefunden“ wurden. In einer konspirativen Mailänder Wohnung waren 1978 zwei namhafte Rotbrigadisten festgenommen und das Haus buchstäblich auf den Kopf gestellt worden (Fotos davon existieren zuhauf). Dennoch war den Ermittlern ein nur mit vier Nägelchen befestigtes Panäl unter der Fensterbank entgangen, hinter dem man nun, zwölf Jahre später, Pistolen, Munition, 60 Millionen Lire aus einer Entführung sowie eben die Kopien gefunden hat, angeblich bei Umbauarbeiten des Nachmieters.

Dann geriet die Sache zur Farce. Die römische Generalstaatsanwaltschaft suchte des Fundes habhaft zu werden. Doch die Mailänder, gewohnt, später von den Römern für sämtliche Unregelmäßigkeiten verantwortlich gemacht zu werden, rückten das Konvolut erst heraus, nachdem sie alles abgelichtet, wieder verpackt und versiegelt hatten. Nun behaupten die römischen Ermittler, das Paket sei in unversiegeltem Zustand bei ihnen gelandet — obwohl es ständig von Polizisten bewacht war.

Am gleichen Tag mußte sich der Chef der italienischen Kriminalpolizei, Parisi, von der Kommission die naheliegenden unangenehmen Fragen über die Fähigkeiten seiner Polizei gefallen lassen. Statt zu antworten, warf er lieber Gegenfragen auf. Etwa die: „Wir haben ja nur die Kopien gefunden. Ich frage mich, wo die Originale der Briefe und der Aufzeichnungen stecken.“ Ja, wo denn?

Die Antwort darauf behauptet das Wochenmagazin 'L'Europeo‘ zu haben: danach soll bei der seinerzeitigen Durchsuchung der Wohnung in Mailand das gesamte Originalmaterial gefunden worden sein, darunter auch die Tonbänder mit dem von den Roten Brigaden durchgeführten „Verhör“ Aldo Moros, die bisher verschwundenwaren. Die Dokumente habe aber ein junger Carabiniere an sich genommen und dem damaligen Cheffahnder Oberst Carlo Alberto dalla Chiesa (der 1982 nach Sizilien geschickt und wenige Woche nach Amtsantritt von der Mafia ermordet wurde) übergeben. Der wiederum habe alles „einem Politiker ausgehändigt“ — der nun, nach Mutmaßung von 'L'Europeo‘, sein Spielchen treibe und die amtierenden Politiker verschrecken wolle. Da nahezu alle Mandatsträger von heute auch damals in Amt und Würden waren (Staatspräsident Cossiga war Innenminister, Regierungschef Andreotti Ministerpräsident), hätte so mancher einiges von Enthüllungen zu befürchten.

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